IW-Geschäfts­bericht

2022.2023

IW-Geschäftsbericht: 2022.2023

Die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg haben neue Unsicherheiten am Standort Deutschland hervorgerufen und bestehende verstärkt. Wirtschaft und Gesellschaft verlangen nach Orientierung in der tiefgreifenden Transformation. Diese Orientierung geben das Institut der deutschen Wirtschaft und seine Tochterunternehmen. Wir sind Ihr Wegweiser in der Unübersichtlichkeit.

Michael Hüther, IW-Direktor

Auf den Punkt: IW-Direktor Michael Hüther im Interview

Was waren die großen Themen? Wie hat sich das IW entwickelt? Und welche Frage würden Sie gerne beantworten, die Sie nie gestellt bekommen? Im Kurzinterview blickt Michael Hüther auf das abgeschlossene Geschäftsjahr zurück.

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Analysen mit Weitblick

Satellitenbild: Analysen mit Weitblick

Wir sehen, dass sich auch in etablierten Demokratien autoritäre Strömungen verfestigen, die direkt oder indirekt sowohl die freiheitlich-demokratische Grundordnung als auch die volkswirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit bedrohen. Das sollte uns Warnung genug sein, uns mit diesen Themen frühzeitig auseinanderzusetzen.

Matthias Diermeier, IW-Ökonom

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4 Ds als Dauerbrenner

Die IW-Studie des Jahres 2021 bleibt ein wichtiger Referenzrahmen für die Institutsarbeit. Darin hatte das IW die vier Faktoren Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und De-Globalisierung als Transformationstreiber beschrieben.

Das vergangene Jahr hat bewiesen, wie richtig das IW mit seinen 4 Ds lag. „Gleichzeitig: Wie vier Disruptionen die deutsche Wirtschaft verändern“ lautete der Titel der Studie, die 2021 erschienen war. Darin hatten die Autoren Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und De-Globalisierung als die Treiber der Transformation der deutschen Wirtschaft identifiziert und Handlungsempfehlungen für einen gelingenden Umbau abgeleitet, der die Zukunft des Standorts sichert.  

Eine Publikation mit dem Anspruch, nicht nur Momentaufnahme zu sein, sondern ein großes analytisches Panorama aufzuziehen, das Bestand hat. „Das Buch beschreibt unsere Grundprobleme nicht nur für ein Jahr, sondern einen längeren Zeitraum“, ordnet Axel Plünnecke die 212 Seiten starke Studie ein. Der Ko-Leiter des Themenclusters Bildung, Innovation, Migration hat die 4 Ds gemeinsam mit Vera Demary und Thilo Schaefer, den Leitern des Clusters Digitalisierung und Klimawandel, sowie Jürgen Matthes, seinem Pendant im Cluster Globale und regionale Märkte, verfasst. Das strategische Ziel aller Beteiligten schildert Plünnecke bildlich: „Ein argumentatives Mutterschiff, von dem wir immer wieder Beiboote ablassen können.“ 

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat einige der Ds beschleunigt und sie noch relevanter gemacht. „Die De-Globalisierung hat dadurch an Bedeutung gewonnen“, sagt Plünnecke. „Die Risiken zu enger Vernetzung mit bestimmten Partnern werden in der Wirtschaft zunehmend gesehen.“ Russisches Gas wiederum wird zwar kurzfristig vor allem mit fossilen Rohstoffen von anderswo kompensiert; die Notwendigkeit einer möglichst raschen Dekarbonisierung der Wirtschaft aber ist durch den Krieg umso offensichtlicher geworden. „Der Transformationsdruck für unsere Unternehmen, den wir in der Studie aufzeigen, hat durch die Erschütterung der Energieversorgung und die Kostenexplosion zugenommen“, sagt Schaefer. 

Auch jenseits des Krieges verschärfen sich die identifizierten Megatrends. Bei der Diskussion über Beschränkungen für den chinesischen Technologiekonzern Huawei etwa kommen De-Globalisierung und Digitalisierung zusammen. In diversen Publikationen ist Jürgen Matthes zuletzt der Frage nachgegangen, wie stark die Abhängigkeit Deutschlands und der EU von China ist und wie sie sich mindern ließe. „Und angesichts der Fachkräfteengpässe werden Firmen sicher künftig die Demografie stärker zugrunde legen, wenn sie über Ansiedlungen oder Ausbauten entscheiden“, glaubt Plünnecke. 

"Die Themen treiben unsere Partner um"

Dass das IW einen Nerv getroffen hat, zeigt sich in der Nachfrage: „Es gibt deutlich mehr Vortragsanfragen rund um die 4 Ds“, sagt Vera Demary. „Seit Ende 2021 habe allein ich dazu zehn Vorträge gehalten.“ Das IW ist auf Fachkongressen, bei Ministerien und in Stakeholder-Gremien zu diesen Themen unterwegs, längst haben die Ds auch Eingang in den Sprachgebrauch in Politik und Verbänden gefunden. Alle beteiligten Cluster verzeichneten zudem steigende Projektaktivitäten, berichtet Plünnecke. So hat das Cluster Digitalisierung und Klimawandel für den Grünen Wirtschaftsdialog das Gutachten „Transformationskompass“ erarbeitet, ein direktes Folgeprodukt der Studie. Natürlich beziehe sich nicht jede Anfrage auf eines der vier Ds, sagt Plünnecke: „Aber die Themen treiben unsere bestehenden und potenziellen Projektpartner um – und wir können im Kennenlernen auf das Buch als Kompetenzbeleg verweisen.“  

Intern lässt sich die Studie zudem als Vorgriff auf den Umbau im Wissenschaftsbereich begreifen, den das IW durch die Cluster-Struktur 2022 institutionalisiert hat. Demary und Schaefer hatten zuvor jeweils Kompetenzfelder geleitet, seit Sommer stehen sie gemeinsam an der Cluster-Spitze. „Digitalisierung kann im Kampf gegen den Klimawandel unterstützen“, beschreibt Demary die inhaltliche Logik des Zusammengehens, „und die Skills, die man für die Dekarbonisierung der Wirtschaft brauchen wird, sind auch stark digital.“ Die 4 Ds seien „eine Arbeitsprobe für den Kooperationsgedanken“, sagt Plünnecke. „Den werden wir künftig von der Führungsebene her noch konsequenter verfolgen.“ 

Eine große Kooperationsaufgabe steht für Ende 2023 an: Dann wollen die 4-D-Autoren ihre Empirie, Analyse und Empfehlungen aktualisieren. Geplant ist eine Unternehmensbefragung über das IW-Panel, die Daten über den Transformationsverlauf in der deutschen Wirtschaft ergeben soll. „Im vergangenen Jahr haben die Unternehmen ihre Krisenresilienz in einer Ausnahmesituation bewiesen und gestärkt“, sagt Plünnecke. „Was den Blick nach vorne angeht, bieten wir mit unseren vier Dimensionen der Transformation den Rahmen, um dieses diffuse Gefühl des ‚Alles ändert sich‘ zu strukturieren, zu verstehen – und sich so den Aufgaben der Transformation auch künftig bestmöglich zu stellen.“ 

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Informationsvermittlung interaktiv

Die interaktiven Grafiken und Karten des IW verbinden Wissen und Erleben. 

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und ein bewegtes Bild sagt sogar noch mehr: Interaktive Grafiken laden Nutzer zum Mitmachen und Entdecken von Daten und Zusammenhängen ein und schaffen so größere Aha-Erlebnisse, als es Texte oder statische Grafiken allein könnten. Sie vermitteln komplexe Inhalte nicht nur präzise und leicht verständlich, sondern machen die Nutzung zum Erlebnis. Wer mit interaktiven Grafiken interagiert, wer einschätzt, klickt, scrollt und Ergebnisse vergleicht, erschließt sich Informationen, die lange im Gedächtnis haften. 

Deshalb setzen die IW-Wissenschaft und die Kommunikationsabteilung des Instituts  schon seit Jahren auf interaktive Tools zur Informationsvermittlung. Wie vielseitig das gelingt, zeigen einige Projekte aus dem vergangenen Geschäftsjahr. 

Geld geht immer

Ein in der Öffentlichkeit stets beliebtes Thema war dabei: Geld. So entwickelten Judith Niehues, Leiterin der IW-Forschungsgruppe Mikrodaten und Methodenentwicklung, und ihr Kollege Maximilian Stockhausen ein Tool, mit dem sich das eigene Einkommen mit dem von anderen vergleichen lässt. Nutzer geben ihr Einkommen und einige weitere Parameter zu ihren Lebensverhältnissen an und können mit ein paar Klicks herausfinden, wie viel Prozent der deutschen Bevölkerung mit gleichen (oder interessehalber völlig gegensätzlichen) Voraussetzungen reicher oder ärmer sind. 

Um obere, untere und mittlere Schichten ging es auch in einem weiteren interaktiven Tool der beiden Verteilungsexperten: Immer wieder wird diskutiert, wer eigentlich zur Mittelschicht gehört und wie sich diese Gruppe verändert. Schrumpft sie tatsächlich, wie oft behauptet wird? Berechnungen des IW – wie auch anderer Institute – zeigen vielmehr, dass die Mittelschicht seit Jahren bemerkenswert stabil ist. Die meisten Menschen bleiben über Jahre in der Mittelschicht, lediglich an den Rändern gibt es Auf- und Absteiger. Das lässt sich grafisch anschaulich darstellen – so wie hier:

Regionale Vergleiche dank interaktiver Karten

Die IW-Forscher nutzen diese Interactives nicht nur, um Entwicklungen und Trends für verschiedene Bevölkerungsgruppen darzustellen, sondern auch zur Illustrierung regionaler Unterschiede. Die IW-Daten- und Wettbewerbsexperten Jan Büchel und Christian Rusche analysierten im Sommer 2022 den Tankstellenmarkt – Anlass war der Tankrabatt, über den monatelang diskutiert wurde. Die interaktive Deutschlandkarte zeigte genau die Tankstellendichte in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten – und belegte, dass der Wettbewerb in diesem Markt vergleichsweise ausgeprägt ist.

Zur Weihnachtszeit sind Henry Goecke und sein Big-Data-Team der Frage nachgegangen, wie sich die Inflation auf eines der beliebtesten deutschen Weihnachtsgerichte ausgewirkt hat – den Kartoffelsalat. Das Ergebnis: Ein klassischer Kartoffelsalat kostete 2022 rund 23,4 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Wo die nötigen Lebensmittel besonders teuer sind – und wo besonders günstig –, hat das Team mithilfe einer interaktiven Karte aufbereitet. Demnach war keine Region so stark von der Kartoffelsalat-Inflation betroffen wie Wilhelmshaven. Das Interessante daran ist weniger die Zahl an sich, sondern dass das viele Menschen betreffende Thema Inflation anschaulich heruntergebrochen wurde. Zugleich ist die Art der Datenerhebung innovativ: Mit Big-Data-Methoden wurden Preise auf Ebene von Postleitzahlen ausgelesen und in der Karte visualisiert.  

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Wie Stimmungen den Standort (de-)stabilisieren

Das IW erforscht die gesellschaftlichen Grundlagen ökonomischen Erfolgs. 

Mit Volkswirtschaft lässt sich einiges erklären, aber sicher nicht alles. Davon ist Matthias Diermeier überzeugt und lebt das in seiner IW-Arbeit vor: Der Leiter des Kooperationsclusters Demokratie, Gesellschaft, Marktwirtschaft hat zwar einen VWL-Master, promoviert wurde er 2021 aber in Politikwissenschaft. Und das mit Bestnote mit einer kumulativen Dissertation an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Seit Juni 2022 leitet der 33-Jährige das im Zuge des Umbaus im Wissenschaftsbereich entstandene Gebiet. „Kooperationscluster decken Themen ab, die quer zu den klassischen ökonomischen Themen wie Arbeitsmarkt, Finanzpolitik oder Digitalisierung liegen“, erläutert Diermeier. 

Sein Cluster verfolgt Fragestellungen, die nicht nur quer durchs Haus, sondern auch quer durch die Disziplinen relevant sind: Wie beeinflussen Stimmungen und Entscheidungen einander? Was sind die politischen Implikationen wirtschaftlicher Spannungen? Haben solche Spannungen sozioökonomische Wurzeln? Und: Wenn es einen Zusammenhang gibt, wie lassen sich zum Beispiel Radikalisierungen hemmen? Wie stärkt man die demokratische Resilienz? „Wir sehen, dass sich auch in etablierten Demokratien autoritäre Strömungen verfestigen, die direkt oder indirekt sowohl die freiheitlich-demokratische Grundordnung als auch die volkswirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit bedrohen“, erklärt Diermeier. „Das sollte uns Warnung genug sein, uns mit diesen Themen frühzeitig auseinanderzusetzen.“ 

Methodenkompetenz ausgebaut

Bild in Lightbox zeigen Am 18. November 2022 veranstaltete das Institut der deutschen Wirtschaft gemeinsam mit der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen eine Tagung zum Thema „Regieren in der Transformationsgesellschaft“. Mit dabei aus dem IW (v. l.): Knut Bergmann, Judith Niehues, Melinda Fremerey, Matthias Diermeier, Sarah Fluchs, Simon Gerards und Ruth Schüler. Foto: Knut Bergmann
Am 18. November 2022 veranstaltete das Institut der deutschen Wirtschaft gemeinsam mit der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen eine Tagung zum Thema „Regieren in der Transformationsgesellschaft“. Mit dabei aus dem IW (v. l.): Knut Bergmann, Judith Niehues, Melinda Fremerey, Matthias Diermeier, Sarah Fluchs, Simon Gerards und Ruth Schüler. Foto: Knut Bergmann

Durch das Ergründen von Einstellungen will Diermeier sozusagen die Erfolgschancen für das erhöhen, was die Politik tut – und was das IW rät. „Wir können uns als Institut ja einig sein, dass eine Politik die beste ist. Aber wenn wir es nicht schaffen, sie der Bevölkerung zu vermitteln, und die Politik nicht in der Lage ist, sie durchzusetzen, dann bleibt das recht zahnlos“, sagt der Politökonom. Und beschreibt die (noch) nicht verstandenen Zusammenhänge am Beispiel der Energiepreiskrise: Anfangs habe es Einigkeit über zielgerichtete Kompensationen gegeben. Aber dann sei der Damm gebrochen: „Es gab die Pakete 1, 2, 3 und 4, hier noch mal was für diese Anspruchsgruppe, dort was für jene. All das durch die Verteilung von Steuergeldern, die erwirtschaftet werden müssen, durch Sonderhaushalte und so weiter. Zu verstehen, wie so eine politische Dynamik entstehen kann – um ihr dann womöglich entgegenwirken zu können –, ist relevant für unsere Politikberatung.“ 

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen baut er Methoden auf, die weiterhelfen sollen: Diermeier und Judith Niehues führen inzwischen jährlich die ersten IW-eigenen Bevölkerungsumfragen durch, in die alle IW-Wissenschaftler ihre Forschungsfragen einbringen können. Dabei nutzen die Initiatoren zum Beispiel Auswahlexperimente und legen den je 5.000 Befragten Politikvorschläge zur Bewertung vor. Auf dieser Basis wollen sie nicht nur deskriptiv sagen, wie viele für etwas gestimmt haben – sondern auch einordnen, wie sich die Zustimmung etwa beim Einschlagen bestimmter Reformwege verändern würde. Dann könnte man Wege des geringsten Widerstands identifizieren und entsprechende Vorschläge entwickeln. So einen Weg haben sie in der jüngsten Befragungswelle zum Thema Rentenreform gesucht: Die Menschen wollen weder später in Rente gehen noch höhere Beiträge oder niedrigere Leistungen in Kauf nehmen. Wie könnte also eine Reform aussehen, die bei der Bevölkerung ankommt? Die Auswertung der Daten läuft. 

Ein Fokus auf der AfD

„Der Trend in der VWL geht grundsätzlich dahin, nicht mehr nur im eigenen Saft zu schmoren“, beschreibt Diermeier sein Arbeitsverständnis. „Gerade die jüngere Generation an Volkswirten, Politikwissenschaftlern und Soziologen verbindet dieser Blick über den Tellerrand.“ Nicht nur das IW bildet dies in seiner neuen Struktur ab. Das ifo zielt mit seinem im September 2022 eröffneten Zentrum für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik in dieselbe Richtung. 

Ein ständiger Antreiber für Diermeier ist, die Ursachen gesellschaftlicher Polarisierungen zu hinterfragen – und damit unter anderem den Erfolg der AfD. Wie wird aus diffusen Stimmungen eine Stimmabgabe? Welche Einstellungen und Erwartungen stecken dahinter? Und welche Erwartungen enttäuscht die Partei? „Die Entmystifizierung der AfD ist schon einer der Schwerpunkte meiner Arbeit“, betont Diermeier. Das ist er im vergangenen Jahr mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Blickwinkeln angegangen:  

  • In einem Experiment hat er vermeintliche Bürgeranfragen voller falscher, aber in der Bevölkerung kursierender Fakten an alle Bundestags- und Landtagsabgeordneten gesandt. Das Interesse: zu überprüfen, welche Parlamentarier reagieren und wer die Fake News richtigstellen würde: Weder hinsichtlich der Korrektur von Fehlinformationen noch bei der Antwortquote schnitt die AfD besonders gut ab. 

  • Eine empirische Analyse der regionalen Verankerung von Parteien ergab: Die AfD ist in der Fläche schlecht repräsentiert, „obwohl sie sich als immer da und immer erreichbar geriert“, sagt Diermeier. 

  • Und auch dort, wo sie stark präsent ist, tritt die AfD nicht anders auf als die von ihr verschrienen „Altparteien“: Gemeinsam mit Judith Niehues und einem Kollegen von Big Data Analytics hat Diermeier den Bundestagswahlkampf der Parteien bei Twitter analysiert. Ergebnis: „Soziale Medien dienen der AfD eher als Top-Down-Kommunikationsmittel denn als diskursiver Resonanzraum mit ‚den Leuten‘, für die die Partei vermeintlich spricht.“ 

Zukunft ohne Zumutungen?

Demokratische Resilienz und (wirtschafts-)politische Polarisierung stehen auch 2023 im Fokus. Diermeier und Niehues haben in ihrer IW-Befragung zahlreiche Aspekte dazu abgefragt und werten sie derzeit aus. Das Ziel sei eine Publikation, die eine „Kartografie der Polarisierungen“ leiste, sagt Diermeier. Inwiefern sind Gruppen mit unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Interessen in den großen Streitthemen wie Migration, Ungleichheit, Energiepreiskrise und Klimapolitik noch in der Lage, miteinander zu reden? „Dahinter steht wieder: Wie schafft man Akzeptanz für sinnvolle Politik?“ 

Mit dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung entsteht zudem neue Empirie zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und Daseinsvorsorge: Über eine Schnittstelle zu Google lesen die Wissenschaftler Angaben aus, in welchen Regionen Kommunen, Kirchen und Privatleute welche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge erbringen.  

Schließlich hat Diermeier zusammen mit Knut Bergmann, dem Kommunikationschef und Leiter des IW-Hauptstadtbüros, der inhaltlich an das Cluster angedockt ist, die Veranstaltungsreihe „Gutes Regieren für die Transformation – Anspruch und Wirklichkeit“ konzipiert. Die Reihe soll in einer Publikation zur Halbzeitbilanz der Bundesregierung münden, die wiederum als Fortschreibung des im Juli 2022 von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vorgestellten IW-Bandes „Mehr Fortschritt wagen? Parteien, Personen, Milieus und Modernisierung: Regieren in Zeiten der Ampelkoalition“ gedacht ist.  

Diermeier und Bergmann, von Haus aus übrigens Politikwissenschaftler, bringen dabei interdisziplinär Köpfe zusammen, die diskutieren, welche Hemmnisse es für die Umsetzung sinnvoller Politiken gibt. Ein Begriff ist hier laut Diermeier zentral: Zumutungsaversion. Verwaltungen, die sich nichts zumuten wollen. Politiker, die den Bürgern nichts zumuten wollen. Und Bürger, die sich nichts zumuten lassen wollen. Ob die Soziale Marktwirtschaft und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ohne Zumutungen funktionieren können – das wird noch Forschungsstoff für viele Jahre bieten.

Standort

Das Hier und Jetzt verstehen

Standort: Das Hier und Jetzt verstehen

Wir bieten mit unseren vier Dimensionen der Transformation den Rahmen, um dieses diffuse Gefühl des ‚Alles ändert sich‘ zu strukturieren, zu verstehen – und sich so den Aufgaben der Transformation auch künftig bestmöglich zu stellen.

Axel Plünnecke, IW-Ökonom

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Kooperieren in Clustern

Was der Umbau der IW-Wissenschaft bedeutet. 

Seit Sommer 2022 ist die alte Struktur des IW-Wissenschaftsbereichs Geschichte: Aus Kompetenzfeldern sind Themencluster und Kooperationscluster geworden. Zwei Beteiligte erklären den Sinn dahinter. 

Frau Demary, Sie waren die Leiterin des Kompetenzfelds Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb. Herr Schaefer war in gleicher Funktion im Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur. Nun leiten Sie beide ein Themencluster namens Digitalisierung und Klimawandel. Warum? 

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Thilo Schaefer. Foto: IW
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Vera Demary. Foto: IW

Thilo Schaefer: Ausgangspunkt war ein Umbau in der Führungsstruktur: Es gibt keine separate Geschäftsführung des Wissenschaftsbereichs mehr; die erfolgt jetzt aus der Direktion. Der Aufbau darunter wurde vereinfacht, und der Direktor hat weniger, dafür größere Einheiten angestrebt. Also sind sechs Themencluster entstanden. Für uns Doppelspitzen in diesen Clustern hat das zwei strukturelle Vorteile: Wir können manche Themen auf Augenhöhe miteinander besprechen und entscheiden – und andere mit einem kurzen Draht in die Direktion. Das ist ein Gewinn. 

Aber warum ausgerechnet Sie beide? 

Schaefer: Unsere Themen wie Digitalisierung und Dekarbonisierung passten schon in der IW-Studie gut zueinander, das sind zwei der vier Ds.  

Vera Demary: Wir beide bearbeiten Trendthemen, große Veränderungen, die die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahren beeinflussen werden. Das passte inhaltlich sehr gut. Bei uns beiden passt es auch persönlich sehr gut, wir kommen sehr gut miteinander aus und haben die besten Teams (schmunzelt). Für uns war das also Win-win-win. Das haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter uns auch gespiegelt. Hinzu kommt: Unsere Methoden sind ähnlich. Wir sind Mikroökonomen und arbeiten mit dem gleichen Werkzeugkasten. 

Schaefer: Es liegt ja an uns, die Struktur mit Leben zu füllen. Was wir eingeführt haben – und das weiß ich auch von anderen Clustern –, sind abwechselnde Jours fixes für das gesamte Cluster und die alten Teams: Die inhaltlichen Dinge besprechen wir noch eher in den kleineren Runden, die organisatorischen und strategischen im Cluster. 

Macht dieser Umbau das IW inhaltlich noch stärker? 

Schaefer: Wir haben schon vorher zusammengearbeitet, etwa für die IW-Studie oder in einem Projekt zur Bedeutung von Digitalisierung für die Ressourceneffizienz. Aber im Cluster haben wir noch mehr Schnittmengen identifiziert, als ich für möglich gehalten hätte. Wir screenen gemeinsam Ausschreibungen und merken an vielen Stellen, dass unsere Struktur ein Alleinstellungsmerkmal ist, indem wir unsere Themen zusammendenken. 

Demary: Wir haben uns zum Beispiel für ein Projekt beworben, bei dem es um Daten und Solarenergie geht. Und gerade vorhin hatte ich ein Gespräch zu Nachhaltigkeitsaspekten bei der Entwicklung von Mobilitätsplattformen.  

Schaefer: Und wir haben mit Dennis Bakalis im vergangenen Jahr tatsächlich einen neuen Kollegen eingestellt, der weder nur auf dem einen noch dem anderen Thema angesiedelt ist – sondern der an der Schnittstelle arbeiten soll.  

Warum gehören Digitalisierung und Klimaschutz eigentlich zusammengedacht? 

Schaefer: Ohne Digitalisierung wird es nicht gelingen, die zunehmend dezentrale Energieversorgung zu flexibilisieren und klimafreundlich zu machen. Sowohl die Infrastruktur als auch die Vernetzung der Unternehmen und Haushalte werden nur digitalisiert funktionieren.  

Demary: Noch ein Aspekt mit der Digitalisierungsbrille: Der Digitalisierungspfad ist nicht klar vorgezeichnet. Wir versuchen zu verdeutlichen, dass Digitalisierung Vorteile hat, die aber je nach Unternehmen und Anwendungsbereich durchaus unterschiedlich sein können. Durch die Verschränkung mit der Klimathematik aber wirkt die Digitalisierung klar mit auf die Klimaziele, und wir wissen genau, wo wir hinmüssen. So können wir ihre Notwendigkeit ganz anders begründen. 

Hätten Sie denn weniger oder schlechter zusammengearbeitet, wenn es den Umbau nicht gegeben hätte? 

Demary: Das macht schon einen Unterschied. Wir sind ganz anders im Austausch als zuvor. Wir teilen uns Verantwortung für einen größeren Bereich, wir können aber auch Kolleginnen und Kollegen einfacher in Mitverantwortung nehmen, wenn wir Dinge nicht selbst schaffen.  

Schaefer: Ich war anfangs etwas skeptisch, bis ich verstanden habe: Eigentlich ist nur die Struktur vorgegeben. Was wir damit machen, ist unser Ding. Die Freiheitsgrade erhöhen sich, das ist doch super. Ich glaube zum Beispiel, die Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich insgesamt funktioniert dadurch besser, dass wir als Leitungsteam alle 14 Tage an einem Tisch sitzen und uns wechselseitig mehr in die Pflicht nehmen: Diese Runden finden jedes zweite Mal mit der Direktion statt, sind aber immer „unsere“ Termine. Das heißt, wir moderieren sie, auch wenn das mit Michael Hüther nicht immer durchgängig funktioniert (lacht). Aber daraus entsteht eine Verbindlichkeit fürs gemeinsame Vorankommen. Weg vom „Man könnte mal“ und vom „Aber warum haben wir denn nicht?“. 

Es gibt auch noch eine Struktur quer zu den sechs Themenclustern: sieben Kooperationscluster. Wie hat man sich da die Zusammenarbeit vorzustellen?  

Schaefer: Eigentlich spielt es keine Rolle, ob etwas im Organigramm in der X- oder Y-Achse steht. Wenn es sich inhaltlich anbietet, fragen wir das Kooperationscluster Big Data genauso an wie das Projekt KOFA aus dem Themencluster Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte. Im Doing ist das egal, es geht allein um Themen- und Methodenkompetenz. Und natürlich auch um verfügbare Ressourcen. 

Was haben die Stakeholder des IW davon, dass Sie nun in diesen Strukturen zusammenarbeiten? 

Demary: Unsere Präsenz und Ansprechbarkeit sind größer, weil Doppelspitzen einander vertreten können. Außerdem halten wir die Verbindung aus Digitalisierung und Klimawandel wie gesagt für ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Da ist unsere Schlagkraft gestiegen. Ich merke bei Vorträgen vor Stakeholdern, dass das mit Interesse gesehen wird, weil andere Institute das getrennt betrachten – oder gar nicht.  

Gibt es Kennzahlen oder Erwartungshaltungen, an denen Sie den Erfolg der neuen Struktur bemessen werden? 

Demary: Natürlich gibt es Zielgrößen in Sachen Publikationen, Reputation oder Medienresonanz. Die werden wir aber als Team der Clusterleitungen erfüllen, nicht mehr wie zuvor jeder mit seinem eigenen Beitrag. Für mich ist das ein Schritt nach vorne zu mehr Gemeinsamkeit. 

Schaefer: Genau. An dieser Stelle passt auch das Stichwort Kooperationsrendite, das ein wichtiges Argument für die neue Struktur war: Wenn jeder nur versucht, seine eigenen Kennzahlen zu erfüllen, steht das im Widerspruch zum Kooperationsziel. Gemeinsam mehr erreichen, muss unser Antrieb sein. 

Was möchten Sie in einem Jahr über Ihr Cluster sagen können? 

Schaefer: Es wäre klasse, wenn wir bei der Akquise an den genannten Themenschnittstellen erfolgreich sind. Und unsere Mitarbeiter sollten sich mindestens so als Teil des Clusters fühlen, wie sie es in den alten Teams empfunden haben.  

Demary: Gerade den zweiten Punkt finde ich fast wichtiger: dass wir ein großes Team sind und sich das noch weiter verfestigt. Wenn wir das durch gemeinsame Erfolge noch vorantreiben können – umso besser! 

Standort 2/7

Die richtigen Daten zur richtigen Zeit

Was hinter dem Rekordjahr der IW Consult steckt. 

„Mache Studien, an denen keiner vorbeikommt.“ Dieses Erfolgsrezept hat Hanno Kempermann, Geschäftsführer der IW Consult, neulich beim jährlichen Strategiewochenende des IW-Verbunds verkündet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der IW-Beratungstochter haben 2022 einen Rekordüberschuss eingefahren. Eben weil sie Studien gemacht haben, an denen keiner vorbeikommt.  

Wobei man Kempermanns Aussage noch erweitern könnte: „... und in denen du bestenfalls dein Folgegeschäft gleich anlegst“. 2021 hatte die Consult ihre Studie „Wirtschaftliche Bedeutung regionaler Automobilnetzwerke“ im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums veröffentlicht. Das Thema der Studie: Wie steht die deutsche Automobilindustrie – und wie stehen vor allem deren Beschäftigte angesichts der Dekarbonisierung da? Welche Regionen sind besonders abhängig vom Verbrennungsmotor und potenziell betroffen von seinem Aus? Und wo sind Unternehmen bereits auf den automobilen Zukunftsfeldern Elektrifizierung, Digitalisierung und Vernetzung unterwegs? Aus diesem Panorama auf ganz Deutschland hat die Consult 2022 etliche Folgeaufträge generiert, weil nun einzelne Autoländer und -regionen Fakten und Ratschläge benötigen, wie sie den Wandel gestalten können. 

Von der Meta- auf die Detailebene

Kempermann zählt auf: „Die Regionalstudie für Hessen liegt bereits vor, die für Bayern erscheint demnächst. Außerdem sind wir in acht der bislang knapp 30 automobilen Transformationsnetzwerke aktiv, die das Bundeswirtschaftsministerium bis 2025 fördert.“ Mit Befragungen und Wirtschaftsstrukturanalysen unterstützt die Consult etwa die Netzwerke in den Regionen Ingolstadt und Nürnberg. Auch dabei hat die IW-Tochter die nächste Wertschöpfungsstufe gleich mitgedacht: Das Team hat alle Netzwerke und die darin organisierten Unternehmen eingeladen, pro bono in einer standardisierten Umfrage Auskunft über Herausforderungen und Verlauf der automobilen Transformation zu geben und sich gegen Wettbewerber zu benchmarken. „Damit bieten wir den Netzwerken und dem Bundeswirtschaftsministerium die Gelegenheit, vergleichbare Daten zum automobilen Wandel als Grundlage für ihre Angebote an die Unternehmen zu nutzen.“  

Diese Kaskade von der Meta- auf die Detailebene hat 2022 auch im Fall des Strukturwandels in Kohleregionen funktioniert. Ende 2021 erschien die Studie „Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte der Strukturförderung im Rheinischen Revier“. 2022 folgten Anfragen der Stadt Herne und des Forschungszentrums Jülich an Kempermann und seine Kollegen, die nun die lokalen Arbeitsmarkteffekte des Strukturwandels untersuchen soll. Der Geschäftsführer reist außerdem zu Vorträgen und Workshops durchs Kohlerevier. „Unsichere Zeiten führen in der Regel zu erhöhtem Beratungsbedarf“, schildert Kempermann einen zweiten Consult-Erfolgsfaktor: „Gerade bei Globalthemen wie ‚Was macht Entwicklung X mit unserer Wirtschaftsstruktur‘ suchen die Menschen neben plausiblen Argumenten Empirie. Und wir haben diese Empirie.“  

Empirische Kompetenz wird weiter ausgebaut

Aufsehen erregt hat die Consult deshalb im abgelaufenen Jahr auch mit ihrem Regionalranking. Darin misst sie Niveau und Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in allen 400 Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands anhand verschiedener Indikatoren. Und das schon seit 2014. 2022 aber war etwas neu: „Über Jahre lag der Süden bei der wirtschaftlichen Dynamik vorne“, sagt Kempermann. „Plötzlich waren es der Norden und Brandenburg.“ Weil diese Zahlen mitten in die Energiepreiskrise und die Diskussion über die Zukunft des Industriestandorts Deutschland kamen, war Kempermann gefragt: Die Nachrichtenagentur Reuters interviewte ihn, Landeswirtschaftsministerien luden ihn ein, an der Evangelischen Akademie Loccum sprach er über „Chancen Norddeutschlands in der Energiewende“. Das Team habe wieder einmal die richtigen Daten zur richtigen Zeit gehabt, lobt Kempermann. 

Ergänzt wird der empirische Werkzeugkoffer der IW Consult ab Mitte 2023: Dann wird der bisherige Leiter des Kooperationsclusters Big Data Analytics, Henry Goecke, neben Kempermann in die Consult-Geschäftsführung rücken. IW und Consult hatten bislang schon in vielen Projekten eng zusammengearbeitet. Die neue Struktur unterstreicht aber noch einmal die strategische Positionierung und den Anspruch der Consult. Kempermann beschreibt ihn so: „Wir machen relevante Studien, die Wirkung haben. Mit Methoden, die am Puls der Zeit sind.“ Das gehe nicht ohne ständiges Lernen und Verbessern, betont der Geschäftsführer. „Wir wollen nicht nur zufriedene Kunden – bestenfalls können wir ihre Wünsche schon antizipieren.“ Seine Mannschaft stimmt ihn da sehr optimistisch für die nächsten Geschäftserfolge: „Das Umfeld bleibt anspruchsvoll, aber die Leistungsfähigkeit unseres Teams beeindruckt mich immer wieder.“ 

Standort 3/7

Wie das IW die Vier-Tage-Woche einordnet

„Erhebliche Zweifel, wie das funktionieren soll.“ 

Holger Schäfer, seit 2000 im IW, ist der Experte, wenn es um Arbeitsmarkt und Beschäftigung geht. Im Themencluster Arbeitswelt und Tarifpolitik forscht er zum deutschen Arbeitsmarkt – wegen der politischen Brisanz kein einfaches Thema. Minijobs, Agenda-Reformen, Niedriglöhne oder Arbeitslosigkeit sind emotionale Themen, die in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden. Nicht immer sind ökonomische Perspektiven darauf populär: So erläuterte Holger Schäfer im vergangenen Jahr, als die Bunderegierung das Bürgergeld verabschiedete, in Interviews und vor dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales seine Bedenken. Ähnlich ist es auch in der Debatte über eine Vier-Tage-Woche. Im Gespräch erklärt er, warum er skeptisch ist – und was in Deutschland falsch läuft. 

Herr Schäfer, die Einführung der Rente mit 67 ist noch nicht so lange her. Jetzt reden viele davon, weniger arbeiten zu wollen. Haben sich unsere demografischen Probleme bei der Erwerbstätigkeit in den vergangenen zehn Jahren erledigt? 

Nein, die Fakten sind die gleichen, eher noch hat sich die Situation zugespitzt. Im April haben wir den bisherigen Höchststand bei der Fachkräftelücke gemessen. Das ist schon jetzt spürbar, denken Sie einmal daran, wie schwierig es ist, einen Handwerker zu bekommen. Die geburtenstarken Jahrgänge erreichen ab jetzt das Rentenalter. Das gefährdet unseren Wohlstand. Eigentlich müssten wir die Diskussion deshalb ganz anders führen. 

Lassen Sie uns konkret werden: Es war oft die Rede von einer Studie aus Großbritannien, wonach die Produktivität bei einer Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt sogar gestiegen sein soll. 

Bei diesem Versuch ist die Produktivität gar nicht gemessen worden, lediglich der Umsatz. Umsätze kann ich aber auch konstant halten, indem ich Leistungen extern zukaufe, deshalb ist das kein geeignetes Maß für die Produktivität. Außerdem haben wir es nicht mit einer repräsentativen Studie zu tun, sondern mit einer Stichprobe von 60 Unternehmen. Industriebetriebe waren auch kaum berücksichtigt. Gerade bei denen gibt es aber gewaltige Zweifel, wie das funktionieren soll. 

Warum? 

Automatisierung hin oder her: Die Idee, dass es in der Industrie eine Produktivitätsreserve von 25 Prozent gibt, die sich einfach abrufen lässt, ist einigermaßen absurd. Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Arbeitszeitverkürzung ursächlich ist für eine Produktivitätssteigerung. Wo die Unternehmen im englischen Versuch von solchen Zuwächsen berichtet haben, beruhte das auf Maßnahmen wie dem Kürzen und Weglassen von Meetings. Das hätte man auch ohne Arbeitszeitverkürzung umsetzen können.  

Aber nicht alle Jobs werden so stark an Produktionsoutputs gemessen. 

Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel: Kranken- und Altenpfleger. Patienten müssen jeden Tag gepflegt werden, da lässt sich die Arbeit vom Freitag nicht zwischen Montag und Donnerstag erledigen. Und selbst bei Bürotätigkeiten warne ich davor, die Arbeit beliebig zu verdichten. Wir wissen: Kleine Pausen am Tag tun gut und mindern den Stress. Gute Ideen kommen manchen gerade in vermeintlich unproduktiven Momenten, wenn sie aus dem Fenster schauen. Viele Unternehmen fördern gerade das oder schaffen Gelegenheiten, bei denen sich Arbeitnehmer informell austauschen können. 

Was sagen Sie dann den Menschen, die tatsächlich weniger arbeiten wollen? 

Niemand wird Ihnen das verbieten. Wenn Sie nur vier Tage in der Woche arbeiten wollen, ist Ihnen das freigestellt. Die nächste Frage wäre dann, ob Sie auch weniger Stunden arbeiten wollen – oder nur Ihre zuvor fünf auf vier Tage verdichten wollen. Das können Sie in Ihrem Arbeitsvertrag individuell vereinbaren, so wie es jetzt schon Arbeitsmodelle für alle möglichen Bedürfnisse gibt. Sie werden aber kaum erwarten können, dass Sie für weniger Arbeit den gleichen Lohn bekommen. 

Noch so ein Thema aus dem vergangenen Jahr: das Bürgergeld. Auch da sagten Sie, gehen die Ideen in die falsche Richtung. 

Das Gesetz in der vom Bundestag zunächst beschlossenen Form hat ein falsches Signal gesetzt. Wer sich nach den Vorstellungen der Ampelkoalition in den ersten sechs Monaten weigert, eine angebotene Arbeitsstelle anzunehmen, sollte nicht mehr sanktioniert werden. Das klingt erst mal nicht gravierend, aber es hätte falsche Anreize gesetzt. 

Was bedeutet das? 

Aus Studien wissen wir: Die allermeisten Menschen wollen arbeiten und tun auch ihren Teil, um möglichst schnell Arbeit zu finden. Manchmal braucht es dafür aber auch einen kleinen Anstoß. Die Befreiung von Sanktionen im ersten halben Jahr hätte da suggeriert: Ich kann mich erst mal ein paar Monate zurücklehnen. Es ist gut, dass die Union diesen Passus im Vermittlungsausschuss herausverhandelt hat. Dass wir darüber reden, zeigt aber, dass etwas falsch läuft: Die politischen Bemühungen müssten doch alle in die entgegengesetzte Richtung gehen. Wir können es uns in der jetzigen Zeit einfach nicht mehr leisten, auf Erwerbstätige oder Arbeitszeit zu verzichten. 

Was wäre zu tun? 

Schnelle Lösungen gibt es kaum, wir können aber an ein paar Stellschrauben drehen. Die Zuwanderung muss deutlich steigen, die jetzigen Zahlen reichen bei Weitem nicht aus. Vieles hapert noch an den bürokratischen Prozessen bei der Visavergabe. Wir müssen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter erleichtern, um noch mehr Frauen von der Teilzeit in die Vollzeit zu holen. Und bei der Rente müssen wir auch noch mal ran. Von der Rente mit 63 müsste man sich eigentlich jetzt schon verabschieden. Auf lange Sicht kommen wir an einer weiteren Anhebung des Renteneintrittsalters nicht vorbei. Da liegt noch eine Menge Arbeit vor uns.

Standort 4/7

Wie das IW bei Tarifverträgen Orientierung gibt

Die IW-Tarifdatenbank feiert Geburtstag. 

Züge stehen, Kinder bleiben zu Hause, auf Post und Pakete sammelt sich Staub. Immer wenn Lokführer, Erzieher oder Postzusteller streiken, schlägt die Stunde der Tarifexperten – zumindest in den Zeitungen und Nachrichtensendungen. Doch auch wenn nicht gestreikt wird: Tarifverhandlung ist in Deutschland fast immer, und das IW hat sie im Blick. „Die Tarifautonomie ist eines der Erfolgsrezepte des deutschen Wirtschaftsmodells“, sagt Hagen Lesch, Ko-Leiter des Themenclusters Arbeitswelt und Tarifpolitik und im IW für die Tarifpolitik verantwortlich. „Deshalb beobachten wir das ganze Jahr die Verhandlungen in den zentralen Branchen – egal, wie weit sie eskalieren.“ 

In diesem Jahr feiert das Forscherteam den zehnten Geburtstag der IW-Tarifdatenbank. In den 20 wichtigsten Branchen in Deutschland dokumentiert sie Flächen- und Haustarifverträge, von der ersten Forderung bis hin zur Einigung. Und das auch, wenn in Branchen wie der Bahn mehrere Gewerkschaften zugange sind. Viel Arbeit, denn Tarifverträge gibt es in Deutschland unzählige, und nicht jeder Verhandlungsschritt findet auch seinen Weg in die Presse. Ein guter Draht zu Branchen und Verbänden ist Pflicht: „Detektivarbeit gehört immer dazu“, sagt Lesch. 

Rund 400 Tarifkonflikte seit 2000

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Anzeigetafel der Bahn an einem Streiktag. Foto: mitifoto – stock.adobe.com

Bis ins Jahr 2000 lassen sich die Tarifverhandlungen in den Daten zurückverfolgen. Rund 400 Tarifkonflikte kommen dabei bis dato zusammen – angefangen mit den Chemie-Tarifverhandlungen März 2000 bis hin zu den diesjährigen Auseinandersetzungen bei der Bahn. Eine wichtige Arbeit: „Mit der IW-Tarifdatenbank können wir das tarifpolitische Klima fast in Echtzeit erheben“, erklärt Lesch. „Das ist wichtig, um den Zustand der industriellen Beziehungen einordnen zu können.“ Mit einem innovativen Ansatz untersucht das IW dabei das Ausmaß der Konflikte. Typische Streikstatistiken zählen lediglich Streiktage. Dies reiche nicht, um die Folgen von Auseinandersetzungen zu messen, findet Lesch: „Auch eine nicht durchgezogene Streikankündigung richtet ökonomische Schäden an.“ Das sei vor allem im Verkehrssektor der Fall.

Bundesregierung nutzt IW-Tarifdatenbank

Stattdessen stellt die Datenbank eine Grundlage dafür dar, mithilfe von Eskalationsstufen und Konfliktpunkten tiefer in das Verhandlungsklima einzusteigen. Zum Beispiel inwiefern beide Seiten Konflikte eskalieren lassen, etwa durch Drohungen oder auch juristische Auseinandersetzungen. In der Diskussion um das 2015 beschlossene Tarifeinheitsgesetz konnte die Bundesregierung mithilfe dieser Daten vor dem Bundesverfassungsgericht belegen, dass Spartengewerkschaften konfliktfreudiger agierten als die etablierten Branchengewerkschaften.

Die IW-Tarifdatenbank ist nur eines von vielen Instrumenten, mit dem das IW auf die Entwicklungen am Arbeitsmarkt blickt. Im Themencluster Arbeitswelt und Tarifpolitik sind seit 2022 alle Forschungsvorhaben gebündelt – vom Recruiting über die Vergütung bis hin zu den industriellen Beziehungen.

Standort 5/7

Guter Rat für die Fachkräftesuche

Das KOFA unterstützt kleine und mittlere Unternehmen mit Expertise und praktischen Tipps bei der Personalarbeit - im Netz, auf Social Media und vor Ort.

Die Zahl der unbesetzten Stellen hat ein Allzeithoch erreicht: Deutschlandweit wurden 2022 im Schnitt mehr als 1,3 Millionen Fachkräfte gesucht. Viele Unternehmen fragen sich, wo sie überhaupt noch qualifiziertes Personal finden sollen. Die Expertise des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) ist deshalb gefragt wie nie. Das am Institut der deutschen Wirtschaft angesiedelte Team aus 20 Voll- und Teilzeitkräften sowie zwei studentischen Mitarbeitern hilft kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dabei, Azubis und Fachkräfte zu finden und zu halten. 

Sibylle Stippler und Dirk Werner, die das Themencluster Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte im IW leiten und das KOFA verantworten, sind sich einig: 2022 war das bislang erfolgreichste Jahr des Projekts im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. 253 Veranstaltungen organisierten oder unterstützten die Expertinnen und Experten aus dem Team im vergangenen Jahr – „quasi eine an jedem Arbeitstag“, sagt Dirk Werner. Bei den Veranstaltungen ging es zum Beispiel darum, wie man mit starker Unternehmenskultur Personal findet, Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil nutzt oder über Social Media Nachwuchs rekrutiert. 

Viele Leit- und Regionalmedien interessierten sich für Studien und Einschätzungen, rund 6.900-mal wurde das KOFA in Beiträgen erwähnt. Die Webseite www.kofa.de wurde 855.000-mal aufgerufen, in den sozialen Medien Twitter, LinkedIn, Instagram und Facebook kamen fast 5.500 Follower hinzu. 

KMU bei der Personalarbeit unterstützen

Das Team unterstützt kleine und mittlere Unternehmen auf unterschiedliche Weise. Die Forscherinnen und Forscher werten Daten zur Fachkräftesituation in wichtigen Branchen aus, geben Interviews, entwickeln Handlungsempfehlungen, halten Vorträge, teilen ihre Expertise in Erklärvideos, Praxisbeispielen und Checklisten. 

Auch das Audio-Angebot hat sich etabliert. „In unserem Podcast ‚KOFA auf dem Sofa‘ sprechen wir mit renommierten Gästen, die sich bestens in der Personalarbeit auskennen”, sagt Sibylle Stippler. Inzwischen gibt es rund 65 Episoden, die jeweils 15 bis 30 Minuten dauern. Besonders erfolgreich war etwa die Folge mit dem Wirtschaftspsychologen Ingo Hamm, der erklärt, warum Unternehmen sich im Guten von Mitarbeitern trennen sollten und eine Kündigung nicht das Ende sein muss. 

Zusätzlich gibt es mit „KOFA konkret“ ein kürzeres Audio-Angebot mit schnellen Tipps für den Unternehmensalltag. So erfahren Hörerinnen und Hörer etwa, warum sich Wissenstransfer im Betrieb lohnt, wie sich eine Arbeitgebermarke aufbauen lässt und wie der Wiedereinstieg nach der Elternzeit gelingt. 

Persönlicher Austausch und Netzwerktreffen

Zur Zielgruppe der unterschiedlichen Angebote zählen auch Multiplikatoren wie Kammern, Wirtschaftsförderungen und Verbände. Auch mit dem Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit arbeitet das KOFA eng zusammen, unter anderem zur Schulung von Beraterinnen und Beratern. 

Zu erfahren, wie andere mit ähnlichen Problemen umgehen, kann in der Personalarbeit enorm hilfreich sein. Deshalb organisierte das KOFA im November ein zweitägiges Netzwerktreffen in Köln. Dabei kamen Vertreterinnen und Vertreter von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Arbeitsagenturen, Wirtschaftsförderungen und Verbänden zusammen. In Podiumsdiskussionen und Workshops tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmern darüber aus, wie Unternehmen zu attraktiven Arbeitgebern werden und sich die Personalarbeit verbessern lässt. 

Zukunftsthemen wie Green Recruiting und Energiewende

Zu rund 60 Themenfeldern der Personalarbeit finden Unternehmen kostenloses Infomaterial auf der Website – von Rekrutierung über Unternehmenskultur bis Weiterbildung. „Ein besonderes Highlight war unsere Studie zur Wind- und Solarindustrie“, sagt Stippler. Dank vieler Gespräche mit Unternehmen und Verbänden sowie der IW-Fachkräftedatenbank konnte analysiert werden, welche Fachkräfte für den Ausbau erneuerbarer Energien besonders wichtig und gesucht sind. 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nutzte die Erkenntnisse bei mehreren Presseterminen, um die Öffentlichkeit über das wichtige Zukunftsthema zu informieren. Auch zu anderen Trendthemen wie Green Recruiting oder Diversity Management berät das KOFA. Das FAQ-Stück zu Aufenthalt und Unterstützung von Geflüchteten aus der Ukraine gab Unternehmen nach Ausbruch des Kriegs schnell Informationen an die Hand und wurde im Laufe des Jahres mehrfach aktualisiert. 

„Unsere Stärke ist, dass wir schnell und zugleich wissenschaftlich fundiert auf aktuelle Entwicklungen bei der Fachkräftesicherung reagieren können“, sagt Werner. Hilfreich dabei ist auch die IW-Fachkräftedatenbank. Sie ermöglicht einzigartig tiefgehende Analysen und sogar Trendfortschreibungen dazu, wie sich die Fachkräftesituation in verschiedenen Berufen und Regionen in den kommenden fünf Jahren je nach Beruf und Region verändert. Verbände mehrerer Branchen konnten bereits mit individuellen Fachkräfte-Checks versorgt werden, zuletzt etwa die Metall- und Elektro-Industrie. Das KOFA arbeitet dabei eng mit anderen Einheiten des IW-Verbunds zusammen, um Unternehmen bestmögliche Ergebnisse und eine unkomplizierte Kooperation zu bieten – etwa mit IW Consult und IW Medien. 

Ausblick: Transformation, Fachkräftepotenziale, Interaktion

Bereits angestoßen hat das Team die Formulierung von Schwerpunkten für die künftige Arbeit. „Dazu zählen auf jeden Fall Nachhaltigkeit und die ökologische Transformation“, sagt Werner. Auch die Frage, aus welchen Bevölkerungsgruppen verstärkt Fachkräfte gewonnen werden können, beschäftigt die Expertinnen und Experten. „Ausländische Fachkräfte bleiben eine wichtige Zielgruppe. Wir befassen uns aber auch verstärkt damit, wie Betriebe ältere Beschäftigte länger im Job halten und mehr Frauen beschäftigen können“, sagt Stippler. Und es soll noch mehr Austausch mit den Zielgruppen geben. Denn dann können die KOFA-Fachleute die drängenden Fragen der Unternehmen noch besser beantworten. 

Standort 6/7

Anerkennung leicht(er) gemacht

Ukraine-Krieg und Gesetzesvorhaben haben die Arbeit des BQ-Portals geprägt.

Das Jubiläumsjahr war für das Team des BQ-Portals besonders. Weil die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den zehnten Geburtstag des Projekts feierten, das das IW im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums betreut. Aber auch, weil die An- und Herausforderungen zum runden Geburtstag zugenommen haben.

Eine Ursache war der Krieg gegen die Ukraine und die resultierende Fluchtbewegung. Hunderttausende Menschen verließen das Land – und erhielten beispiellos schnell Aufenthalts- und Arbeitsmöglichkeiten in der EU, weil Brüssel die Zugangsregelungen zum Arbeitsmarkt lockerte. Quasi Kernkompetenz für ein Portal, das die zuständigen Stellen in Deutschland bei der Bewertung und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse unterstützt. „Fürs zweite Halbjahr haben wir dank eines Zusatzauftrags des Ministeriums unsere Informationen rund um die Ukraine deutlich ausbauen können“, sagt Projektleiter Daniel Wörndl. Das Team recherchierte 136 neue Berufsprofile aus der Ukraine, es übersetzte mehr als 70 Lehrpläne aus der Landesprache und veranstaltete Webinare zur Anerkennung ukrainischer Abschlüsse.

Mit Informationen vorgebaut

Weil vor allem ukrainische Frauen nach Deutschland kamen, legten die IW-Mitarbeiter den Fokus zunächst auf Informationen über Berufe mit einem hohen Frauenanteil; außerdem analysierten sie die Profile schon eingewanderter Ukrainer, um besser priorisieren zu können. „Auch wenn in den ersten Monaten nach der Flucht für die Menschen das Ankommen und der Spracherwerb an erster Stelle stehen“, sagt Wörndl, „wird anschließend der Fokus stärker auf der Arbeitsmarktintegration liegen.“ Daher habe das Ministerium sehr vorausschauend und schnell agiert. „So konnten wir mit Informationen vorbauen, die dann später relevant werden, wenn Geflüchtete eine berufliche Zukunft suchen und hierfür die Anerkennung ihres Berufs nutzen können.“ Im Laufe dieses Jahres sollen weitere Berufsprofile und Webinare folgen.

Wörndl sieht in den Kriegsfolgen auch einen Testlauf für den deutschen Anerkennungsprozess. Zum einen, was die Abläufe angeht: „Wie kann man die vereinfachen? Da ist sehr viel sehr plötzlich in Bewegung gekommen.“ Zum anderen, was den grundsätzlichen Wert angeht: Es werde spannend, zu sehen, wie sich die tatsächlichen Anträge auf Anerkennung eines Berufsabschlusses entwickeln. „In den nicht reglementierten Berufen braucht es ja nicht zwingend eine Anerkennung. Was passiert dort? Beantragen die Leute sie trotzdem, weil es die Chancen erhöht und Wertschätzung ausdrückt? Hier liegt unsere Überzeugung! Oder werden die Menschen so in den Arbeitsmarkt gehen?“

„Wichtig ist, dass die Strukturen vereinfacht werden“

An dieser Stelle überschneidet sich der Ukraine-Krieg mit dem zweiten großen Thema, das das BQ-Portal umtreibt: der geplanten Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG). Sie soll mehr – und auch einfachere Optionen – für den Zugang von Nicht-EU-Bürgern zum deutschen Arbeitsmarkt schaffen. Darunter ist eine, die die Einwanderung ohne vorherige Anerkennung eines Berufsabschlusses ermöglichen soll.

Wörndls Team baut auch hier vor und durchleuchtet die Inhalte der Datenbank: Wie lassen sich die Informationen auf dem Portal mit dieser neuen Säule im FEG verzahnen? Welche Abschlüsse erfüllen die künftigen gesetzlichen Vorgaben, um als qualifizierte Fachkraft auch ohne vorherige Anerkennung in Deutschland arbeiten zu dürfen? „Diese Information als kompakte Ergänzung unserer Berufsprofile – das wäre für Behörden, Kammern und unsere anderen Nutzer ein echter Mehrwert und eine große Erleichterung im Anerkennungsprozess“, betont Wörndl. Angesichts des Fachkräftemangels müsse ein Ziel des FEG schließlich sein, dass die Dinge schneller gehen: „Wichtig ist, dass die Strukturen vereinfacht werden – und nicht einfach nur mehr Möglichkeiten hinzukommen. Dass die Prozessketten gut aufeinander abgestimmt sind, dass die Schnittstellen zwischen den nach wie vor vielen beteiligten Stellen funktionieren.“ Das BQ-Portal jedenfalls wird seinen Beitrag leisten.

Standort 7/7

1 Lichtblau = 25x60 Projekte

Am 31. Mai war alles vorbei: Karl Lichtblau, Mitgründer und Geschäftsführer der IW Consult, ging in Rente. Im Gespräch blickt er zurück und voraus.

Lieber Herr Lichtblau, man wird nicht als Geschäftsführer der IW Consult geboren. Wann und als was sind Sie damals im IW gestartet?

Ich bin 1992 nach drei Jahren im BDI ins IW gewechselt, als Referent für Strukturpolitik. Der Grund waren die sprichwörtlichen „neuen Herausforderungen“, die ich gesucht habe. Zu dieser Zeit war auch Winfried Fuest aus dem Verband zurück ins Institut gegangen. Der hat mich gewissermaßen mitgenommen.

Warum? Was hat er in Ihnen gesehen?

Herr Fuest war schon daran beteiligt gewesen, dass ich zum BDI kam. Er hatte meine Dissertation von 1988 gelesen, die meinen Bewerbungsunterlagen beilag: Sind demokratische Entscheidungen bei Mehrheitswahlrecht effizient und stabil? Auf beides lautete meine Antwort Nein. Diese Arbeit hatte ihm offenbar gefallen. So blieb der Kontakt bestehen, und er warb dafür, dass ich ins IW kommen solle. Gleichzeitig gab es dort einen Wechsel: Rolf Kroker übernahm die Leitung des Bereichs Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der wollte frische Kräfte reinholen – und ich war seine erste Einstellung.

Womit haben Sie sich befasst?

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Aktenvernichter: Seine letzten Tage im Amt hat Karl Lichtblau unter anderem damit verbracht, Dokumente auszusortieren. Foto: Nicolas Schöneich

Ich hatte ungeheure Freiheiten und konnte mich wunderbar entfalten. Ich habe mich mit Japan befasst, mit Industrie und Dienstleistungen, mit dem Strukturwandel in den damals neuen Bundesländern. Zwischen 1992 und 1998 sind daraus auch zwei Bücher entstanden. Dabei habe ich mich mit der Treuhand angelegt und der damaligen Präsidentin Birgit Breuel gesagt: „Wenn die Treuhand eine Volkswirtschaft entflechten könnte, hätte auch die DDR funktioniert.“

Einen ziemlichen Lapsus habe ich mir in diesem Zusammenhang allerdings auch geleistet: In einem kritischen iwd-Beitrag zu den Schulden der Treuhand war mir ein Komma in den Druckfahnen verrutscht: „249 Milliarden D-Mark Schulden“. Tatsächlich sollte es aber 24,9 Milliarden heißen. Eineinhalb Jahre später allerdings hat die Treuhand mit exakt 249 Milliarden Schulden abgeschlossen. Und wo hat’s zuerst gestanden? Im iwd!

Und dann hat sich irgendwann Ihr Gründer-Gen bemerkbar gemacht?

Ach, ich hatte so viele Beiträge für den iwd und die IW-Trends geschrieben, dass ich mich gefragt habe: Und was kommt jetzt? Daraus entstand die Idee zu einer Beratungsgesellschaft im IW, die eigenes Geschäft macht. Unser damaliger Direktor Gerhard Fels hat daraufhin eine typische IW-Entscheidung getroffen: Ja, aber... Das hieß: Ja, mach das. Aber ich bekam kein Eigenkapital und keine Mitarbeiter. Dafür waren wir anfangs drei Geschäftsführer.

Was war die Ratio für eine Beratungsgesellschaft?

Das IW war nicht für alle Marktchancen richtig aufgestellt. Für Dinge, die nicht zum wissenschaftlichen Grundauftrag gehören, aber trotzdem dazu passen, brauchten wir andere Strukturen. Auch, um die Finanzierung des Instituts auf mehrere starke Säulen zu stellen. Diese Denkweise haben wir vorangetrieben und mit der Consult institutionalisiert.

Wie lief es anfangs?

Unser erster Auftrag wirkt heute noch nach. Wolfgang Maus, damals Chef der Kölner Emitec, hatte mich beauftragt, ein passendes Grundstück in Europa für eine Erweiterungsinvestition seines Unternehmens zu finden. Ich habe mir von Nordfrankreich über Tschechien bis in die neuen Länder vieles angeguckt. Vorgeschlagen habe ich ihm schließlich Thüringen, wo er dann auch investiert hat. Für die IW Consult war das quasi der Einstieg in das Themenfeld regionale Analyse und den Vergleich von Standortfaktoren. Später kamen Bundesländer-Rankings auf: Ich erinnere mich noch, wie ich bei Ministerpräsident Erwin Teufel im baden-württembergischen Kabinett saß und er jeden Minister rapportieren ließ, warum er so schlecht abgeschnitten habe.

Durchgestartet aber sind wir dann mit zwei Großprojekten: ECLASS und dem E-Business-Projekt PROZEUS des Bundeswirtschaftsministeriums. Beides machte zeitweise mehr als die Hälfte unseres Umsatzes aus.

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Karl Lichtblau neben dem damaligen IW-Direktor Gerhard Fels bei einer Pressekonferenz Ende der 1990er Jahre. Foto: IW

Hatten Sie gerade in den Gründungsjahren einmal Zweifel, ob die Consult funktionieren würde?

Ich habe nie die Option akzeptiert, dass es schiefgehen könnte. Wir hatten Krisenjahre, zum Beispiel als PROZEUS ausgelaufen ist. Aber daraus habe ich keine grundsätzlichen Zweifel entwickelt. Und wenn man auf die nackten Zahlen sieht: Wir haben in 25 Jahren nur dreimal Verlust geschrieben.

Wie wichtig war und ist das „IW“ vor dem „Consult“, also Ihre Einbindung in den Verbund?

Wir sind Teil des Verbunds, wir sind mit dem Goodwill des Instituts gegründet worden, wir wurden dadurch bekannt bei Verbänden und Unternehmen. Das IW ist für uns immens wichtig. Eine Lichtblau GmbH hätte auf der grünen Wiese keinen Erfolg gehabt.

Welche Themen haben Sie besetzt?

Im Kern die, die uns heute noch stark machen: Strukturwandel, Rohstoffe, Standort, Regionalexpertise. Eine wichtige Entscheidung haben wir getroffen, als PROZEUS nicht verlängert wurde: Wir haben uns komplett aus dem Geschäft mit öffentlicher Auftragsforschung zurückgezogen. Die Consult ist eben kein zweiter Wissenschaftsbereich, solche Projekte passen nicht zu uns.

Wenn die Consult das nicht ist – was ist sie dann?

Die Consult ist ein Dienstleister, der maßgeschneiderte Lösungen für Unternehmen, Verbände und andere Auftraggeber entwickelt, meist mit einem starken empirischen Anteil. Wir greifen die Dinge auf, verwerten und erweitern sie, die in der Wissenschaft entstanden sind.

Da stellen Sie Ihr Licht aber unter den Scheffel.

Methodisch haben wir durchaus auch Grundlagenarbeit betrieben, etwa mit unseren Panels und generell beim Umgang mit Daten: Wir haben früh Regionaldatenbanken genutzt, auf Input-Output-Analysen gesetzt und in unseren Studien Wert auf einen Methodenmix aus selbst erhobenen Primärdaten und Analysemodellen gelegt.

Womit hatten Sie über die Jahre den größten Impact am Markt?

Wir haben das IW-Zukunftspanel und das -Personalpanel etabliert, auch den globalen Standortvergleich Deutschlands mit seinen Wettbewerbern. Seit zehn Jahren errechnen wir unseren Rohstoffindex, zudem haben wir die Messbarkeit von Digitalisierung durch eigene Modelle mit vorangetrieben.

Wo endet die Consult-Expertise?

Wir lassen die Finger von Projekten mit einem Forschungsauftrag. Bei uns geht es nur um Leistungsaustausch; diese wichtige Grenze werden wir nicht verletzen. Auch auf Projekte zur Entwicklung wissenschaftlicher Tools bewerben wir uns nicht.

Grundsätzlich nehmen wir den Blick von oben ein, die regionale oder Branchensicht. In die Implementierung unserer Vorschläge aber gehen wir nicht. Wir haben keine Ahnung von Betriebswirtschaft und können also keine Unternehmensberatung im klassischen Sinne machen.

2022 hat die Consult ihren bisherigen Rekordüberschuss erzielt. Warum?

Wir haben die richtigen Lehren aus 2012/2013 gezogen, als wir PROZEUS verloren haben. Wir haben uns unabhängig von öffentlicher Förderung gemacht und stattdessen unser genanntes Profil und die dafür notwendigen Kompetenzen geschärft. Damit haben wir uns eine stabile Kundenbasis aufgebaut, sind Jahr für Jahr effizienter geworden – und das zahlt sich nun aus.

Welchen Anteil haben die Mitarbeiter?

Wir haben eine junge, supermotivierte Mannschaft, was auch ein Verdienst meines Ko-Geschäftsführers Hanno Kempermann ist. Wir übertragen ihnen Verantwortung, sind als Geschäftsführung immer ansprechbar, aber lassen sie sonst laufen. Und das danken sie uns mit Top-Arbeit.

Welche Fehler und Erfolge nehmen Sie mit?

Fehler gab es so viele. Da war mir immer nur wichtig, dass sie nach außen transparent gemacht und nach innen aufgearbeitet werden, damit sie möglichst nicht noch mal passieren.

Was die Erfolge angeht: Über die 25 Jahre hatten wir zwischen 50 und 70 Projekte pro Jahr. Die habe ich nicht alle gemacht, aber begleitet. Wenn man so will, war ich also an um die 1.500 Projekten beteiligt. Da waren viele spannende Studien für die bayerischen Arbeitgeberverbände dabei. Auch eine Studie von IW und IW Consult für den Arbeitgeberdachverband Businesseurope, „Industry as a growth engine in the global economy“, hatte einigen Impact.

Mein schönster Erfolg aber war ein Gutachten zum Länderfinanzausgleich: Unser Modell, nach dem das Saarland als armes Land aus dem Ausgleich hätte austreten sollen, war eine Option in der Föderalismuskommission 1. Ich weiß noch, wie ich in Saarbrücken beim damaligen Ministerpräsidenten Peter Müller saß mit meinen beiden Assistenten Ferdinand Kirchhoff, später Verfassungsrichter, und Clemens Fuest, heute ifo-Chef. Wir haben dem Ministerpräsidenten ein Modell entwickelt, seinem Finanzminister sind dabei allerdings die Gesichtsmuskeln erstarrt. Müller hat dann die Austrittsüberlegung auf einer Pressekonferenz verkündet. Das war schon gut.

Ziehen Sie sich guten Gewissens zurück?

Ich habe in den vergangenen drei Jahren konsequent auf meinen Ruhestand hingearbeitet. Und dass Hanno Kempermann es kann, ist mir schon seit fünf Jahren klar. Er ist auf den Punkt, sehr klug und läuft nicht weg, wenn es schwierig wird. Ihn habe ich Stück für Stück ins Vertrauen gezogen, sodass ich auch kein „Geheimwissen“ mitnehme, wenn ich gehe. Ich habe wirklich losgelassen.

Hanno Kempermann haben Sie angesprochen. Ab Anfang Juni soll dann Henry Goecke Ko-Geschäftsführer der Consult werden, derzeit Leiter des Kooperationsclusters Big Data Analytics. Was heißt das für die Zukunft des Unternehmens?

Die strategische Idee dahinter lautet: Wir wollen weitermarschieren beim Thema datengetriebene Produkte. Anfangs hatten und kannten wir alle nur die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Damit konnten wir keinen Unterschied machen. Also habe wir die Panels aufgebaut, um Primärdaten zu erheben. Auch das reicht aber inzwischen nicht mehr: Es sind so viele Daten unterwegs, die wir uns selbst erschließen, sie interpretieren und für uns nutzen müssen. Dafür steht Henry Goecke.

Was möchten Sie der Consult oder dem Verbund noch mitgeben?

Man muss immer versuchen, schneller zu sein als andere. Und selbstkritisch. Auch unsere Wettbewerber können denken – diesem Wettbewerb müssen wir uns stellen. Nicht verharren, sondern sich entwickeln: Der Verbund hat noch wenig Technologiekompetenz, er hat wenig betriebswirtschaftliche Kompetenz, ist immer noch auf Deutschland fokussiert. Das wären drei Punkte für die kommenden Jahre. Gerade bei der Internationalisierung traue ich der Consult dank des noch stärkeren Datenfokus einiges zu.

Alternativrouten

Auf neuen Wegen

Alternativrouten: Auf neuen Wegen

Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet die Zeitenwende vor allem: Vor Russlands Invasion haben wir Abhängigkeiten als politisch stabilisierend gedeutet. Jetzt hat sich das Blatt komplett gewendet, und wir merken, dass sie uns auch erpressbar machen können.

Jürgen Matthes, IW-Ökonom

Alternativrouten 1/5

Weniger China wagen?

Das IW analysiert die wechselseitigen Abhängigkeiten Deutschlands und Chinas.

Russlands Einmarsch in die Ukraine hat nicht nur sicherheitspolitisch zur von Bundeskanzler Olaf Scholz geprägten „Zeitenwende“ geführt. „Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet die Zeitenwende vor allem: Vor Russlands Invasion haben wir Abhängigkeiten als politisch stabilisierend gedeutet. Jetzt hat sich das Blatt komplett gewendet, und wir merken, dass sie uns auch erpressbar machen können.“ Jürgen Matthes, Ko-Leiter des IW-Themenclusters Globale und regionale Märkte, beschreibt damit einerseits die Abhängigkeit vom russischen Gas. Die ist im Jahr seit Kriegsbeginn hektisch und unter einigen Verwerfungen heruntergefahrenworden. Was Matthes andererseits nicht erst seit dem Frühjahr 2022 umtreibt: die zunehmenden Wirtschaftsbeziehungen mit China. Oder auch: die teils sehr engen Verflechtungen, eben bis hin zu Abhängigkeiten.

In zahlreichen Studien mit Kolleginnen und Kollegen und bei Medienauftritten hat Matthes seitdem die Wirtschaftsverbindungen zu China kritisch analysiert. Man könne nicht sagen, dass Deutschland gesamtwirtschaftlich an der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hängt, betont er. Zwar erwirtschafteten manche besonders in China exponierte Unternehmen dort zwischen 20 und 40 Prozent ihres globalen Umsatzes. „Aber es hängen nur etwa 3 Prozent aller deutschen Arbeitsplätze direkt und indirekt und der Wertschöpfung am Export nach China: Selbst das Verarbeitende Gewerbe hat 2020 im Schnitt lediglich 6,6 Prozent seiner Vorleistungen von dort importiert.“ Doch in manchen Branchen sind die Verkettungen deutlich enger. Die Hersteller elektrischer Ausrüstungen importierten 16 Prozent ihrer Vorleistungen aus China, der Bereich Datenverarbeitung sogar mehr als 19 Prozent. Hinzu kommt: Bei einzelnen Importprodukten hängen wir zu 80 Prozent oder mehr an China. Peking hat zum Beispiel eine sehr große Marktmacht bei einzelnen Rohstoffen, ohne die keine Zukunftstechnologie wie E-Mobilität funktioniert.

Bild in Lightbox zeigen Der Hafen von Yantian im chinesischen Shenzen. Foto: xiaoliangge – stock.adobe.com
Der Hafen von Yantian im chinesischen Shenzen. Foto: xiaoliangge – stock.adobe.com

Ungleiche Erpressungspotenziale

Umgekehrt ist China in einigen Bereichen zwar ähnlich auf den Westen angewiesen, haben die IW-Experten jüngst errechnet: Von dort bezog China 2021 immerhin 53 Prozent seiner gesamten Importe. Bei den 20 wertmäßig wichtigsten chinesischen Importgütergruppen war der Anteil teils noch deutlich höher: Bei Fahrzeugen (Rang 6) betrug er 93 Prozent, bei Mess- und Kontrollinstrumenten (Rang 5) 64 Prozent und 63 Prozent bei Maschinen (4). Matthes deutet das aber nicht unbedingt als eine Art Gleichgewicht des Handelsschreckens, das auf gegenseitigem Erpressungspotenzial im Konfliktfall baut. Denn China könne ein mögliches Herunterfahren des Warenaustauschs – oder sogar etwaige Sanktionen in einem drohenden Konflikt um Taiwan – vermutlich besser wegstecken als Deutschland und seine Partner: „Ein autokratisches System könnte mit der nationalistischen Erzählung, dass der Westen Chinas Wohlstand gefährdet, wirtschaftliche Schäden wohl besser und länger verkraften als eine Demokratie.“

Erste Beschränkungen, um Chinas Aufstieg zu bremsen, bestehen bereits: Die USA haben umfassende Sanktionen gegen China bei der Halbleitertechnologie verhängt, auch Japan und die Niederlande haben heimischen Herstellern die Ausfuhr hochkomplexer Anlagen zur Halbleiterfertigung untersagt. „China hat aber – im Unterschied zu Russland – mehr Know-how, um womöglich selbst mit solch harten Technologiesanktionen zurechtzukommen und auf längere Sicht Alternativen zu entwickeln“, erklärt Matthes.

Mittelfristig Alternativen aufbauen

Die Macht scheint also ungleich verteilt, Außenhandelszahlen zeigen, dass Deutschland 2022 importseitig eher noch abhängiger geworden ist. „Kurzfristig gibt es nicht aufzulösende Abhängigkeiten bei einzelnen Gütern“, stellt Matthes klar: seltene Erden, Magnesium, elektronische Bauteile sowie chemische und pharmazeutische Grundstoffe. Ein De-Coupling oder Entkoppeln von China hält er nicht für sinnvoll oder gangbar. „Ohne China“, funktioniere es nicht, „aber Diversifizierung und ein De-Risking sind möglich und nötig. Auch etwas weniger Handel mit China ginge ohne größere Schäden, wenn man sich dafür fünf bis zehn Jahre gibt.“ Was zum Beispiel wichtige Bodenschätze angeht, sollte der Westen dringend in afrikanischen Ländern nach Alternativen zu China suchen. „Ein Angebot könnte lauten ‚Wir verarbeiten die Rohstoffe nach unseren Standards vor Ort, statt dass sie dafür nach China gebracht werden‘ – und schaffen dadurch lokale Wertschöpfung in Afrika.“ Bei der Diversifizierung helfen auch Freihandelsabkommen, die attraktive Absatzmärkte und Lieferanten anderswo besser erschließen. Dann fiele es leichter, weniger stark auf China setzen. Hier sieht Matthes die Politik in der Pflicht.

Schwieriger sei der politische Umgang mit Gefahren für in China stark exponierte deutsche Firmen, wenn man das Szenario eines Konflikts um Taiwan in den Blick nehme. „Solche Risiken zu managen und sie gegen weiter winkende Gewinnchancen abzuwägen, ist die Entscheidung der Eigentümer.“ Das heiße aber auch: Es dürfe bei scheiterndem China-Geschäft – über dann bestehende Investitionsgarantien hinaus – keinen staatlichen Bailout geben. 

Alternativrouten 2/5

3k coacht IW Medien bei Neuaufstellung der Redaktion

Bild in Lightbox zeigen Seit Anfang 2021 gehört 3k zum IW-Verbund. Foto: Daniel Roth/IW
Seit Anfang 2021 gehört 3k zum IW-Verbund. Foto: Daniel Roth/IW

Wie formt man aus drei bisher eigenständigen Abteilungen ein neues Team mit mehr als 30 Leuten? Als bei der IW Medien GmbH die Entscheidung fiel, die Redaktionen von aktiv, iwd und für das Auftragsgeschäft zu einer Gesamtredaktion zusammenzulegen, waren sich die Verantwortlichen einig: „Um alle Kolleginnen und Kollegen ‚mitzunehmen‘ und am Veränderungsprozess zu beteiligen, lassen wir uns von Transformationsprofis begleiten“, so Geschäftsführer Axel Rhein.

Die Entscheidung für 3k Transformation war dabei naheliegend – und das nicht nur im Wortsinn. Seit Anfang 2021 gehört das Unternehmen zum IW-Verbund und sitzt ebenfalls am Konrad-Adenauer-Ufer in Köln. Das Unternehmen hat in mehr als 20 Jahren in über 300 Firmen Veränderungen bewirkt – zum Beispiel bei Liebherr, Thyssenkrupp, bei der Telekom, bei Adecco, Microsoft und der DZ Hyp. Jetzt also bei der IW Medien – zur strategischen Ausrichtung der neuen Redaktion.

Bei Veränderungen von und in Unternehmen ist entscheidend, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Idee und das Ziel glauben, lautet der Ansatz von 3k. Der Schlüssel dazu ist eine Verhaltensstrategie. Und Verhalten kann man genauso planen wie eine Geschäftsstrategie.

Wie das konkret geht, zeigten im Mai Marleen Cassee und Melissa Wagner beim Redaktions-Workshop. Die Transformationsmanagerinnen von 3k bringen die Redakteurinnen und Redakteure aus Köln und von fünf weiteren Standorten einander näher. Teambildende Elemente in immer neuen Konstellationen machen Spaß, verankern erste konkrete Schritte in den neuen Arbeitsalltag – und lassen einen Team-Spirit entstehen. Vor allem darauf kommt es der IW Medien an, um mit der neuen Redaktion nicht nur bestehende Angebote digital weiterzuentwickeln, sondern auch neue Märkte zu erschließen.

„Ich liebe es, Brücken zu bauen zwischen dem Bewährten und innovativem Neuen“, sagt Cassee, und Wagner findet es spannend, „in unterschiedlichsten Branchen ähnliche kulturelle Herausforderungen zu erkennen und anzugehen“. Ob bei einem Mittelständler wie der IW Medien, bei einem Start-up oder einem Konzern wie aktuell Salzgitter Mannesmann. Dort geht es um die Transformation hin zur grünen Stahlproduktion. 

In der neuen Redaktion der IW Medien hat diese Transformation schon begonnen. „Der Workshop hat gezeigt, dass die neue Aufstellung Raum für jeden bietet, sich individuell weiterzuentwickeln“, fasst Redakteur Michael Aust den Tag zusammen. Eine gute Voraussetzung für den Start. Zum 1. Juli geht’s los. 

Alternativrouten 3/5

Warum Unternehmergeist in Schulen wichtig ist

Was die IW JUNIOR 2022 erreicht hat.

Wie können wir das Klima retten, ohne dass Unternehmen reihenweise bankrottgehen? Dieser fundamentalen Frage haben sich Schülerinnen und Schüler der Schülerfirma „Carducation“ aus Hessen spielerisch genähert – und einen durchschlagenden Erfolg erzielt. Statt Schülerinnen und Schüler nur aus Büchern und von Karteikarten pauken zu lassen, wollen die Jungunternehmerinnen und -unternehmer Spiel und Spaß mit Lernerfolg verbinden. So entstand das Kartenspiel „Ecucation“. Die Spieler agieren als Unternehmen, die versuchen, durch Investitionen in innovative Ideen klimafreundlicher zu werden und gleichzeitig Geld zu verdienen. Gewonnen hat, wer die meisten Klimapunkte sammelt. Setzen Spieler zu sehr auf den Profit und vernachlässigen Innovationen, ist das Spiel verloren. Genauso verliert, wer sein Unternehmen in die Insolvenz treibt.

Mit ihrem Spiel fürs Klima gewann Carducation beim Bundeswettbewerb der IW JUNIOR 2022 den ersten Platz und reiste anschließend zum Europafinale der Schülerfirmen in Tallinn. Unter 40 europäischen Teilnehmern errang die Schülerfirma aus dem Taunus Bronze. Der Erfolg erregte Aufmerksamkeit in der Politik: Bundesinnenministerin Nancy Faeser begeisterte die Idee, die sie sogar Bundeskanzler Olaf Scholz vorstellte. Geplant ist schon ein nächstes Kartenspiel, das über Verschwörungstheorien aufklären soll.

Selbstvertrauen und Verantwortungsgefühl

Auch wenn nicht jede Schülerfirma im vergangenen Jahr solche Erfolge verzeichnen konnte, ist das JUNIOR-Engagement in den Schulen immens wichtig. Unternehmergeist schon in der Schule zu leben, gibt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern früh Selbstvertrauen und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Außerdem übernehmen die Schülerinnen und Schüler Verantwortung, nicht nur für sich selbst, sondern auch im Umgang mit Kollegen in den Schülerfirmen sowie Partnern, die zum Beispiel bei Produktion oder Vertrieb unterstützen.

2022 konnten 12.000 wissbegierige junge Menschen bei IW JUNIOR diese Erfahrung machen und gründeten insgesamt 920 Schülerfirmen. In Workshops, Gesprächen und Webinaren, geleitet von JUNIOR-Expertinnen und -Experten, lernen die Schüler wirtschaftliche Grundkenntnisse, die sie in ihren Schülerfirmen in die Praxis umsetzen. Sie vernetzen sich, um sich zu unterstützen und voneinander zu lernen. Dabei haben sie Paten aus der Wirtschaft, Förderer und JUNIOR-Alumni an ihrer Seite, die mit Expertise in den Projekten unterstützen.

Ein wichtiger Teil dieser Arbeit ist das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT, das 2023 seinen 70. Geburtstag feiert. Es bringt unter anderem Schüler mit Unternehmen zusammen, um den Arbeitsalltag hinter Berufen zu zeigen. Dort erhalten sie Einblicke in die Arbeitswelt und entdecken neue berufliche Perspektiven.

Rekordjahr 2022

Ein weiterer Fokus der IW JUNIOR und ihrer Partner liegt auf der Förderung von Mädchen. In verschiedenen Projekten unterstützen sie ambitionierte Schülerinnen auf ihrem Weg in die Arbeitswelt. Frauen sind zum Beispiel in MINT-Berufen weiterhin unterrepräsentiert. Umso erfreulicher ist es, dass das Mädchenteam von „Re-Bag“ den Ideenwettbewerb „The Schools Challenge“ 2022 gewann. Das Projekt von IW JUNIOR und J.P. Morgan fördert nachhaltige Produktideen und lösungsorientierte Ansätze. Das Siegerteam entwickelte wiederverwendbare Behälter für den Einkauf von Lebensmitteln, die in einen extra dafür vorgesehenen Rucksack passen.

„Wir können stolz sein auf das, was wir geschafft haben – hinter uns liegt ein Rekordjahr in Bezug auf die Teilnehmendenzahlen und den Fundraising-Erfolg“, bilanziert die Geschäftsführerin der IW JUNIOR, Kerstin Vorberg. „2023 steht bei der IW JUNIOR ganz im Zeichen klarer Prozesse sowie einer Stabilisierung des Teams und der Strukturen. Wir möchten in diesem Jahr aber auch unsere Erfolge angemessen feiern.“ Einen Erfolg feiert IW JUNIOR bereits mit dem JA Worldwide-Netzwerk, das weltweit jungen Menschen finanzielles und unternehmerisches Wissen mitgeben möchte: Zum zweiten Mal ist es für den Friedensnobelpreis nominiert worden.

Alternativrouten 4/5

Wie das IW die Dekarbonisierung begleitet

Die Umwelt- und Energieexperten forschen zu der Frage, wie das deutsche Wirtschaftsmodell ohne fossile Energien funktionieren kann.

Es gab 2022 kaum ein Thema in Deutschland, das Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit mehr beschäftigt hat als Energie. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schwappte die Sorge vor großer Abhängigkeit, vor hohen Preisen und Gasknappheit bis in den letzten Winkel des Landes. Was vorher oft Nischenthema für Experten war, provozierte plötzlich Krisengipfel im Bundeskanzleramt: Wie sollte Deutschland das essenzielle Gas ersetzen, das bislang über russische Pipelines ins Land gekommen war?

Bild in Lightbox zeigen Ein Tankschiff mit Flüssiggas. Foto: Wojciech Wrzesień – stock.adobe.com
Ein Tankschiff mit Flüssiggas. Foto: Wojciech Wrzesień – stock.adobe.com

Auch wenn der kalte Winter ausgeblieben ist und die Gasspeicher deutlich besser gefüllt sind als befürchtet, warnen die Umwelt- und Energieexperten im IW noch immer. In einer großen Studie zur Zukunft des Erdgases als Energieträger haben sie sich mit dem neuen Status quo in der Energieversorgung auseinandergesetzt. Ihre Analyse: Weil Flüssiggas aufwendiger zu transportieren ist und zudem weltweit gehandelt werden kann, wird Erdgas in Deutschland auf absehbare Zeit nicht zu den günstigen Vorkrisenpreisen zurückkehren. Die zentralen Alternativen, erneuerbarer Strom und klimaneutraler Wasserstoff, lassen derweil auf sich warten. „Das ist bereits heute ein Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen in Deutschland“, sagt IW-Energieexperte Malte Küper. „Die Bundesregierung muss beim Ausbautempo noch eine gehörige Schippe drauflegen, ansonsten haben wir in einigen Jahren noch viel größere Probleme.“

Wasserstoff bleibt wichtig

Gerade in der Industrie werden Windräder und Solarzellen dabei nicht immer reichen – etwa in der Stahlproduktion, wo die technischen Erfordernisse immer noch stoffliche Energieträger erfordern. Die sollen in Zukunft aus grünem Wasserstoff kommen. Für dessen Markthochlauf braucht es aber noch große Investitionen in Forschung und Infrastruktur – sowohl in Deutschland als auch global. Um die Wirtschaft im industriellen Westen bei dieser Aufgabe zu begleiten, ist das IW Teil des wissenschaftlichen Netzwerks SCI4climate.NRW.

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Pipeline zum Wasserstofftransport. Foto: malp – stock.adobe.com

Das hilft nicht zuletzt auch nachhaltig dem Land dabei, seine Klimaziele zu erreichen. Mit einer ungewöhnlichen Kooperation dokumentiert das IW jetzt den Weg in Richtung Klimaneutralität: Gemeinsam mit dem Grünen Wirtschaftsdialog, einem parteiunabhängigen Zusammenschluss von Unternehmen und Personen, haben die Energie- und Umweltforscher den Transformationskompass entwickelt. Bei dieser Bestandsaufnahme und Befragung von knapp 1.000 Unternehmen sollen die Fortschritte bei der Erneuerung des Landes in regelmäßigen Abständen nachverfolgt werden – nicht nur, aber ganz besonders bei der Dekarbonisierung.

Mit Schubladenhandys Ressourcen sparen

Helfen kann dabei auch, wenn wir Rohstoffe in Zukunft öfter wiederverwerten. IW-Ökonomin Adriana Neligan hat deshalb mit einer ganzen Reihe von Studien untersucht, wo die deutsche Wirtschaft beim Thema Kreislaufwirtschaft steht. Besondere Aufmerksamkeit erzeugte eine Studie aus dem Januar 2023. Die erstaunliche Erkenntnis: Würde man die Materialien aus allen ausrangierten Smartphones in Deutschland recyceln, ließe sich der Rohstoffbedarf für alle neuen Smartphones der nächsten zehn Jahre decken. Eine lange Zeit – bis dahin sollte hoffentlich auch die deutsche Energieversorgung auf neuen Füßen stehen.

Alternativrouten 5/5

Nachhaltig erfolgreich bleiben

Die IW Medien treibt das Thema Nachhaltigkeit voran – für Kunden und intern.  

Nachhaltigkeit ist zum zentralen Zukunftswert geworden. Nicht nur in Deutschland, sondern auch global. Im Alltag von Konsumenten, in der öffentlichen Debatte, auf der politischen Bühne, für die Finanzwelt – und für die unternehmerische Verantwortung. Alle Beteiligten eint eine große Frage: Wie arbeiten und wirtschaften wir so, dass Umwelt und Klima geschützt werden und sich zugleich Menschen und Unternehmen angemessen entwickeln können? Getrieben wird die öffentliche Debatte durch den Klimawandel, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise haben sie noch einmal beschleunigt – und die gesetzliche Regulierung verpflichtet vor allem die Wirtschaft zunehmend, nicht nur nachhaltig zu agieren, sondern das auch transparent zu kommunizieren. 

Während börsennotierte Unternehmen schon länger Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichte vorlegen müssen, hat die EU auch für KMU die Regeln verschärft: Spätestens für das Geschäftsjahr 2024 sollen sie ihr Nachhaltigkeitsengagement in nicht finanziellen Berichten dokumentieren. Für die IW Medien ist das eine doppelte Chance: in Kundenprojekten und in der Darstellung nach außen. Kundenberater Stephan Pöpsel-Schalück ist der Nachhaltigkeitsbeauftragte der Agentur und hat 2022 ein gestiegenes Interesse für das Thema beobachtet: „Wir haben nicht nur unsere Zusammenarbeit mit KIRCHHOFF Automotive fortgesetzt und die zweite Ausgabe des Nachhaltigkeitsberichts betreut. Mit einem mittelständischen Weltmarktführer aus Baden-Württemberg haben wir gleich mehrere verschiedene Projekte dazu umgesetzt.“  

Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit im Blick

Ein Beispiel, an dem man auch die Vielschichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit sieht, betont Nicolas Schöneich. Der Textchef Crossmedia Content hat den KIRCHHOFF-Bericht und gemeinsam mit Michael Aust aus der aktiv-Redaktion die Baden-Württemberg-Projekte verantwortet: „Manche Unternehmen reduzieren Nachhaltigkeit ja oft noch auf ‚alles, was grün ist‘. Das ist zwar schon mal etwas – aber es ist viel zu wenig. Unser Einstieg bei dem baden-württembergischen Unternehmen war zunächst ein längerer Beitrag über nachhaltige Personalpolitik für ein Fachmagazin. Langfristiger ökonomischer Erfolg etwa durch vorausschauendes Recruiting und eine hohe Arbeitgeberattraktivität fallen schließlich auch unter das Stichwort Nachhaltigkeit.“ Herleitung und Argumentation des Beitrags überzeugten offenbar, sodass das Unternehmen bei der IW Medien einen Teil seines Nachhaltigkeitsberichts beauftragte. 

Bild in Lightbox zeigen In einem sogenannten Wesentlichkeitsworkshop hat die IW Medien verschiedene Dimensionen und Handlungsfelder zum Thema Nachhaltigkeit priorisiert. Foto: IW Medien
In einem sogenannten Wesentlichkeitsworkshop hat die IW Medien verschiedene Dimensionen und Handlungsfelder zum Thema Nachhaltigkeit priorisiert. Foto: IW Medien

Auch intern befasst sich die IW Medien mit allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, der ökologischen, ökonomischen und sozialen: In einem sogenannten Wesentlichkeitsworkshop im Frühjahr 2023 haben Pöpsel-Schalück und Schöneich mit Mitgliedern des Managementboards erarbeitet, wo die IW Medien bei unterschiedlichen Nachhaltigkeitsaspekten steht, vom Energiemanagement über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis zum sozialen Engagement. Im nächsten Schritt werden die Handlungsfelder festgelegt, die für die IW Medien und ihre Stakeholder „wesentlich“ sind: Wodurch steigt das Nachhaltigkeitsengagement der Agentur mess- und sichtbar so, dass es einen Unterschied im Wettbewerb um Kundschaft aus Unternehmen, Ministerien und Verbänden macht? Welche Prozesse, Strukturen oder Werkzeuge braucht es? Wo muss man Bestehendes wie die langfristige Themenkompetenz etwa in Nachwuchskampagnen oder Arbeitnehmerkommunikation neu einordnen, um es als nachhaltig zu begreifen? Was lässt sich kurzfristig umsetzen, was eher mittelfristig, was sinnvoll nur gemeinsam im IW-Verbund?  

Ein Nachhaltigkeitsboard als verantwortliche Instanz ist bereits geschaffen. Nun wird es darum gehen, aus der Theorie in die Praxis zu kommen. „Auch wir können es uns schlicht nicht leisten, bei Nachhaltigkeit hinterherzubummeln“, sagt Pöpsel-Schalück. „Wirtschaftlich wäre das jedenfalls nicht sonderlich nachhaltig.“ 

Reisebegleiter

Gemeinsam Richtung Zukunft

Reisebegleiter: Gemeinsam Richtung Zukunft

Das IW vernetzt sich auf vielen Ebenen, um Orientierung zu geben und Standpunkte zu vermitteln: in Brüssel und Berlin, auf Veranstaltungen und in Gesprächsformaten - und im sozialen Engagement.

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Was das IW in Brüssel vorantreibt

Gespräche, Mandate und Veranstaltungen. 

Das Brüsseler IW-Büro hat die thematische und persönliche Vernetzung in Europas Schaltzentrale im abgelaufenen Geschäftsjahr fortgesetzt. IW-Direktor Michael Hüther war mehrmals über mehrere Tage vor Ort, um bei Gesprächen mit politischen Entscheidern und der Presse die  Expertise des Instituts zu vermitteln. So sprach Hüther mit dem Direktor der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen (DG ECFIN) der EU-Kommission, Reinhard Felke, über die Wirtschaftspolitik der EU-Staaten. Mit Michael Hager, dem Kabinettschef von Kommissionsvize Valdis Dombrovskis, tauschte Hüther sich über den Krieg in der Ukraine sowie die anhaltenden Lieferkettenprobleme aus. Seine Gespräche mit den Europaparlamentariern Bernd Lange (Vorsitzender des Handelsausschusses) und Joachim Schuster wurden live gestreamt aus dem „VoxBox“-Videostudio im Brüsseler Parlamentsgebäude. Hüther nutzte seine Aufenthalte zudem regelmäßig für Hintergrundgespräche mit deutschen Pressevertretern in Brüssel.  

Büroleiterin Sandra Parthie hat als Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) verschiedene Funktionen wahrgenommen: Für den Zeitraum 2023 bis 2025 ist sie in diesem Beratungsgremium der EU-Institutionen zur Präsidentin der Sektion Binnenmarkt gewählt worden. Parthie ist zudem EWSA-Berichterstatterin für die wichtigsten Nachhaltigkeitsvorhaben der EU mit Blick auf die Industrie, den Industrieplan zum Grünen Deal der EU und den Net-Zero Industry Act. Vor diesem Hintergrund war Parthie Ende November 2022 auch Teil der EWSA-Delegation bei der Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm-El-Scheich. Anlässlich einer Anhörung im EWSA zur Standardisierungsstrategie der EU konnte Thorsten Kroke, der Leiter der ECLASS-Geschäftsstelle bei der IW Consult, zudem den ECLASS-Datenstandard in Brüssel präsentieren. 

Sichtbarkeit des IW 

Die Arbeit des IW findet auch Anerkennung durch die europäischen Institutionen. So werden beispielweise in der „Think Tank Review“ des Sekretariats des Europäischen Rates immer wieder IW-Studien erwähnt und beworben. Beispielhaft seien ein Bericht von Berthold Busch zum Brexit im September 2022 und einer von Michael Grömling zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine in der April-Ausgabe der Review genannt.  

In der europäischen Presse, insbesondere bei den News-Outlets „Politico“ und „Euractiv“, werden die Arbeiten des IW ebenfalls immer wieder referiert. Gerade der Fachkräftemangel, dokumentiert im MINT-Bericht des IW, stieß auf große Resonanz. Im „Euractiv“-Podcast war IW-Wissenschaftler Jan Büchel zu diesem Thema zu Gast, in „Politico“ fanden unter anderem die IW-Analysen zum Inflation Reduction Act der USA und zur China-Abhängigkeit Eingang. 

Veranstaltungen laufen an

Seit dem Wegfall der Corona-Einschränkungen gibt es wieder mehr  Veranstaltungen des IW mit Partnern aus Stiftungen, Verbänden und anderen Instituten. Im Mai 2022 richteten die BDA und Vertreter aus dem IW-Projekt BQ Portal die Veranstaltung „Talents for Europe aus“.  

Besonders intensiv war dann der November des Jahres: Der Leiter Wissenschaft im IW, Hubertus Bardt, Reinhard Felke von der DG ECFIN, die Leiterin der Abteilung Finanzen in der Ständigen Vertretung Deutschlands in Brüssel, Nicole Rosin, und weitere Gäste diskutierten am 7. November auf einer Veranstaltung zum EU-Stabilitätspakt. Gastgeber waren das IW und die Konrad-Adenauer-Stiftung. Bardt und der Leiter des IW-Themenclusters Bildung, Innovation, Migration, Axel Plünnecke, stellten eine Woche später in Brüssel den ersten Transatlantischen Innovationsindex vor, den das IW unter anderem gemeinsam mit dem italienischen Institut I-Com erarbeitet hat. Wiederum eine Woche später hatten das IW und der Bundesverband deutscher Banken zu einer Veranstaltung über die Geldpolitik der EU und der USA geladen. Am Monatsende schließlich standen in Brüssel das Halbjahrestreffen des AIECE – der Vereinigung europäischer Konjunkturinstitute –sowie Veranstaltungen mit der Hanns-Seidel-Stiftung (Klima- und Energiekrise) und dem Internationalen Wirtschaftsrat (EU-Taxonomie) an.  

2023 setzten sich die Termine zu Herausforderungen, die die IW-Stakeholder in Verbänden und Unternehmen umtreiben, fort: Im Februar war die Energie- und Rohstoffpolitik Thema bei einer Veranstaltung des IW und der WirtschaftsVereinigung Metalle, an der unter anderem die Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer und Markus Pieper teilnahmen. Am 12. April luden IW und European Liberal Forum zum Stakeholder-Dialog über die strategische digitale Autonomie Europas.  

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Wie das IW Podcasts nutzt

Fachleute des Instituts sind Gastgeber und gern gehörte Gesprächspartner. 

Während immer weniger Menschen fernsehen und Zeitung lesen, werden anderen Medien beliebter: 2022 haben laut einer Befragung des Digitalverbands Bitkom zwei von fünf Deutschen zumindest selten einen Podcast gehört – doppelt so viele wie noch vier Jahre zuvor. Gerade jüngere Menschen, die mit Papier und TV-Gerät wenig anfangen können, nutzen das Angebot.  

Auch das IW setzt deshalb die Audioformate auf Abruf ein, um sein Know-how breit zu streuen: Bereits seit Mai 2020 spricht IW-Ökonom Michael Voigtländer mit Hauke Wagner im Podcast „1a-Lage“ wöchentlich über die neuesten Entwicklungen in der Immobilienwelt. Das kommt auch vor Live-Publikum gut an: Rund 500 Gäste kamen im September 2022 zu einer Live-Aufzeichnung des Podcasts bei einer Veranstaltung des Verbands der norddeutschen Wohnungsunternehmen. Das Thema: „Löhne und Mieten – wo ist das Wohnen noch erschwinglich?“.  

IW-Direktor Michael Hüther ist ebenfalls eine feste Größe in der Welt der Podcasts: Seit mehr als zwei Jahren spricht er wöchentlich mit dem Chefökonomen des Handelsblatt Research Institutes, Bert Rürup. Der Name ihres Podcasts ist Programm: „Economic Challenges“. Im Mai 2022 etwa ging es um die steigenden Zinsen, die zunehmend auch die Schuldenlast der EU-Mitgliedsstaaten erhöhen. Aber auch die Tarifverhandlungen, die zuletzt in vielen Branchen geführt wurden, waren ein Thema im Podcast. Die Inhalte kommen gut an, die treue Zuhörerschaft wächst kontinuierlich: Hatten 2022 noch im Schnitt knapp 30.000 Menschen im Monat den vom „Handelsblatt“ produzierten und veröffentlichten Podcast angehört, waren es im März und April 2023 bereits mehr als 40.000.  

Das Podcast-Urgestein aus dem Umfeld des IW stammt aus dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA): Im Juli 2018 starteten die Expertinnen und Experten aus dem Wissenschaftsbereich in Zusammenarbeit mit der IW Medien den Podcast „KOFA auf dem Sofa“. Wie wird eine Führungskultur etabliert? Wie finden kleine und mittlere Unternehmen neue Azubis? Mittlerweile in Eigenregie produziert, nehmen alle 14 Tage Fachleute und externe Gäste wie Unternehmer auf dem KOFA-Sofa Platz und sprechen über Erfahrungen, Empfehlungen und Forschungsergebnisse für die Personalarbeit im Mittelstand.  

Wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IW nicht gerade einen eigenen Podcast hosten, sind sie regelmäßig auch zu Gast in externen Formaten. Im Dezember 2022 etwa sprach Michael Hüther im erfolgreichen Podcast „Das Politikteil“ mit den „Zeit Online“-Redakteuren Ileana Grabitz und Peter Dausend über die Wirtschaftskrise in Deutschland. IW-Ökonom Christian Rusche stellte im November 2022 die neuen Ergebnisse des KI-Monitors im Podcast des Bundesverbands Digitale Wirtschaft vor.

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Wie sich IW-Beschäftigte ehrenamtlich einbringen

"IW engagiert" unterstützt soziale Einrichtungen und in humanitären Krisen. 

Die Nachwirkungen der Flutkatastrophe aus dem Sommer 2021, der Ukraine-Krieg, die Erdbeben in der Türkei und Syrien – je häufiger die Krisen, desto wertvoller ist das Engagement von freiwilligen Helferinnen und Helfern wie jenen bei IW engagiert. Die Ehrenamtlichen aus dem IW-Verbund werben um Sach- oder Geldspenden, sie rekrutieren Kolleginnen und Kollegen für Aktionstage in sozialen Einrichtungen. 2022 war das vierköpfige Team angesichts der zahlreichen andauernden Notlagen sehr gefragt. Kurz nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine setzte IW engagiert einen Teams-Kanal auf, vernetzte dort Hilfswillige und wies auf seriöse Spendenempfänger hin. Neben einer Großspende ans Deutsche Rote Kreuz verdoppelte die IW-Geschäftsführung alle Beträge, die Kolleginnen und Kollegen etwa an den Kölner Verein Blau-Gelbes Kreuz spendeten. „Uns ist wichtig, dass wir vor allem kleine Projekte unbürokratisch unterstützen, bei denen unsere Beiträge auch einen Unterschied machen“, sagt die IW-Wissenschaftlerin Barbara Engels. „Wir wollen nicht einige Hundert Euro auf einen Millionen-Berg legen.“ 

Dieser Ansatz zieht sich wie ein roter Faden durchs Jahr. Welthungerhilfe, Caritas oder Diakonie sind bekannt und nehmen ohnehin reichlich Spenden ein. IW engagiert setzt darauf, dass auch die weniger Bekannten Unterstützung erfahren – die oftmals schneller und flexibler sind, wenn es um die Vor-Ort-Hilfe geht. Als in der Türkei und Syrien die Erde bebte, stellten zwei Mitarbeiterinnen der IW Medien Kontakte zu ebensolchen Organisationen her und sammelten Sachspenden vor allem für Regionen, die „die Großen“ nicht im Blick haben, etwa das syrische Konfliktgebiet.  

Jährliche Aktionstage sollen neu starten

Seit einigen Jahren stellt IW engagiert an den Coffee Points im Institut auch Spardosen auf: Darin wird Geld für wechselnde Organisationen und Zwecke gesammelt, die IW-Kolleginnen und Kollegen vorschlagen und die zumeist ebenfalls nicht im öffentlichen Fokus stehen. So kamen bei der jüngsten Aktion bis Ende März 2023 mehr als 300 Euro an die Gesellschaft für MPS zusammen, eine Patienten- und Selbsthilfeorganisation für Menschen, die an Mukopolysaccharidose erkrankt sind. Ende 2022 hat das Team zudem zum zweiten Mal eine Weihnachtsspendenaktion für die Kölner Frauenhäuser gestartet: Dabei wurden die Weihnachtswünsche von Frauen und Kindern in den zwei Einrichtungen des Kölner Vereins „Frauen helfen Frauen“ erfüllt.  

Bild in Lightbox zeigen Das Ergebnis der weihnachtlichen Spendenaktion für die Kölner Frauenhäuser. Foto: IW
Das Ergebnis der weihnachtlichen Spendenaktion für die Kölner Frauenhäuser. Foto: IW

„Was uns eigentlich am Herzen liegt, ist es, Menschen zusammenzubringen“, betont Engels, „und auch außerhalb des IW aktiv im Einsatz zu sein.“ Vor Corona gab es jährliche Aktionstage, bei denen teils Dutzende IW-Freiwillige zum Beispiel in Kitas, Seniorenheimen und in einem Tierheim im Einsatz waren und ganz praktisch unterstützt haben. 2023 wird das nach der Pandemiepause wieder möglich sein, für den Sommer ist eine Müllsammelaktion mit dem Kölner KRAKE e. V. geplant. Aus diesem Anlass erinnert Engels an die Vorschlags- und Beteiligungsmöglichkeiten: „Über unser Intranet IW inside können alle Kolleginnen und Kollegen gerne Projekte und Organisationen vorschlagen, denen wir die Spardosen widmen oder die wir am Aktionstag unterstützen könnten.“ Engagement lebe schließlich von jeder und jedem Einzelnen. 

Reisebegleiter 4/6

Transformation vermessen

IW-Direktor Michael Hüther hat in der Berichtszeit gleich zwei neue Bücher vorgelegt. Zuletzt erschien „Abschied von der Öffentlichkeit – Eine kurze Theorie vom Ende der Moderne“, in der er beschreibt, welche Herausforderung mit der von ihm attestierten Erosion des öffentlichen Raums als Ort der Kommunikation und des Gesprächs, aber auch der wirtschaftlichen Geschäfts- und Austauschbeziehungen einhergehen. „Ein großartiger Essay über die Veränderung des öffentlichen Raums und seine notwendige Sicherung und Neubestimmung“, fasste die ehemalige Bundesbildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan in einer Rezension zusammen.

Zuvor war – ebenfalls im Herder-Verlag – sein Band „Welche Zukunft hat die soziale Marktwirtschaft?“ erschienen. Hierin untersucht Hüther, ob unser Wirtschaftsmodell noch konkurrenzfähig ist. Der IW-Direktor erörtert darin, wie sich die Zukunft der unter dem Druck von Digitalisierung, Dekarbonisierung, demographischer Entwicklung und De-Globalisierung stehenden sozialenMarktwirtschaft gestalten kann.

Neue IW-Veranstaltungsreihe

Unter dem Titel „Abschied von der Öffentlichkeit“ fand im April 2023 auch die IW-Frühjahrstagung statt, die wiederum den Auftakt zu der neuen IW-Reihe „Gutes Regieren für die Transformation – Anspruch und Wirklichkeit“ bildete. Bis zum Ende des Jahres 2023 werden IW-Expertinnen und -Experten mit externen Gästen virtuell die transformationsbedürftigen Politikfelder beleuchtet.

Die Veranstaltungsreihe, die in eine Halbzeitbilanz der Bundesregierung im Dezember 2023 münden wird und in einer Publikation dokumentiert werden soll, schreibt den im Juli 2022 von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vorgestellten IW-Band „Mehr Fortschritt wagen? Parteien, Personen, Milieus und Modernisierung: Regieren in Zeiten der Ampelkoalition“ fort.

Reisebegleiter 5/6

15. Max-Weber-Preis verliehen

Ende März 2023 hat das IW zum 15. Mal den Max-Weber-Preis für Wirtschaftsethik verliehen. Preisträger war der Ökonom Dr. Tim-Phillipp Bruns für seine Dissertation zum Thema Verteilungsgerechtigkeit. 

Sebastian Panreck erhielt den Master-Förderpreis. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit dem Thema: „Einstellung zur Marktallokation. Eine ökonomische Analyse am Beispiel Indigener in Bolivien“. 

Die Bachelor-Studienpreise gingen an Michéle Anne Reuter, Alice Sidorenko und Maximilian Ray Winkin. Reuter analysiert und bewertet das „Programme of the Endorsement of Forest Certification Schemes“ aus wirtschaftsethischer Sicht. Das Programm setzt sich für nachhaltige Waldbewirtschaftung ein, die ökologische, ökonomische und soziale Standards gewährleisten soll. 

Bild in Lightbox zeigen Die Preisträgerinnen und Preisträger, eingerahmt von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (l.) und IW-Direktor Michael Hüther. Foto: Kerstin Müller
Die Preisträgerinnen und Preisträger, eingerahmt von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (l.) und IW-Direktor Michael Hüther. Foto: Kerstin Müller

Alice Sidorenko befasst sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Thema „Corporate Social Responsibility“. Sie analysiert die Potenziale und Grenzen in mittelständischen Unternehmen hinsichtlich der Markenbildung in Bezug auf soziales Engagement. 

In seiner Bachelorarbeit klärt Maximilian Ray Winkin, wie der Verschlechterung von Arbeitsstandards in einer globalisierten Welt entgegengewirkt werden kann. 

Die Festrede hielt Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. 

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Berliner IW-Jahresempfang: Ein Blick in das Jahr 2062

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause fand wieder der Berliner IW-Jahresempfang statt.  

IW-Direktor Michael Hüther warf in seiner „krawattenlosen Begrüßung“ am Vorabend von Weiberfastnacht einen Blick ins Jahr 2062 und nach – wohin sonst – Köln: Dort wird am 26. Juli 2062 der 50. Jahrestag des „Whatever it takes“-Versprechens in Sachen Euro-Rettung von Mario Draghi mit einem Festakt im Gürzenich gewürdigt: „Die Europäische Kommission hat sich für Köln entschieden, nicht nur weil das die nördlichste Stadt Italiens ist, sondern weil ähnlich wie in der EU – also in Brüssel und dort im Parlament – hier auf so wundersame wie beharrliche Weise Gelder fehlgelenkt werden, unsichtbare Kräfte immer aufs Neue Einfluss gewinnen. Außerdem war die Kommission unter Führung von Giacomo Draghi – dem jüngeren Sohn von Mario, dem Großen – von der Geschichte der Heinzelmännchen sehr überzeugt: jenen Kölner Hausgeistern, die nachts, wenn die Bürger schliefen, deren Arbeit verrichteten.

Im Weiteren erfuhren die 250 Gäste, dass auch in 39 Jahren nicht mit dem Abschluss des U-Bahn-Ausbaus und der Fertigstellung des Opernhauses in Köln zu rechnen sein wird, aber immerhin die Bauarbeiten am Kölner Dom beendet sein würden. Der 1. FC Köln würde zum zwölften Mal Deutscher Fußball-Meister, während Lukas Podolski Bundespräsident wäre. Hüther schloss optimistisch: „Sie sehen: Die Zukunft bietet immer auch die Hoffnung auf das Bessere, jedenfalls auf anregende Überraschungen. So oder so müssen wir damit zurechtkommen, auch hier und jetzt. Und am besten, wenn wir unseren Sinn für den Unsinn bewahren ... oder in den Worten von Odo Marquard: ‚Der Sinn ist stets der Unsinn, den man lässt‘. In diesem Sinne: dreimal Kölle Alaaf!“ 

Koordinatensystem

Daten und Berichte

Koordinatensystem: Daten und Berichte

Aus Kommunikationssicht war 2022 das erfolgreichste Jahr der IW-Geschichte. Zwar profitierten fast alle Wirtschaftsforschungsinstitute vom krisenbedingten Nachfragehoch nach wissenschaftlicher Expertise. Mit besonders starken Zahlen konnte das IW aber nachhaltig seinen Platz im Institutsvergleich stärken.

Koordinatensystem 1/2

Zahlen, bitte: Das IW in den Medien

Wie Wissenschaft wahrgenommen wird. 

Viel Resonanz: Aus Kommunikationssicht war 2022 das erfolgreichste Jahr der IW-Geschichte. Auf 15.904 Erwähnungen kam das Institut mit seinen Wissenschaftlern und Studien im gesamten Jahr. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatte das IW zum ersten Mal überhaupt die Grenze von 10.000 Nennungen übertroffen. Allein im August 2022 kamen 1.736 Nennungen zusammen – auch das ist Rekord für einen einzelnen Monat.  

Zwar profitierten fast alle Wirtschaftsforschungsinstitute vom krisenbedingten Nachfragehoch nach wissenschaftlicher Expertise. Mit besonders starken Zahlen konnte das IW aber nachhaltig seinen zweiten Platz im Institutsvergleich stärken – vor dem DIW und hinter dem ifo-Institut. Auch in den ersten Monaten des Jahres 2023 hat das IW diese Platzierung verteidigt. 

Rekordwerte auch im Fernsehen: Über 331 Millionen Zuseher waren dabei, wenn das IW in den großen TV-Sendern erwähnt wurde oder IW-Experten zu Wort kamen. Im vorangegangenen Jahr waren es 98 Millionen weniger. Dazu kamen knapp 255 Millionen Radiohörer. 

Und auch in den sozialen Medien wuchs das IW kräftig. Besonders erfreulich: Mit über 6.600 Followern auf der Networking-Plattform LinkedIn folgten dem IW rund 60 Prozent mehr berufliche Kontakte als im Vorjahr. Dazu kommen mehr als 16.400 Follower auf Twitter und 673 auf Instagram. 

Koordinatensystem 2/2

2021 9261

Erwähnungen in den Medien

2 2021 & 2022

Rang im Institutsvergleich

2022 254,9

Radiohörer in Mio.1

2022 331,5 2021 233

TV-Zuschauer in Mio.2

15745 2021 16536 2022

Twitter-Follower

2021 4048

LinkedIn-Follower

2021 482

Instagram-Follower

2021 314

Publikationen IW e.V.3

739 2021

Vorträge IW e.V.4

1 Panel: Deutschlandfunk, DeutschlandRadio Kultur, B5 aktuell, hr-info, mdr aktuell, ndr-info, swr-info, WDR2, WDR5, rbb-Inforadio; ab 1.3.2018 Panel HF: Deutschlandfunk, B5 aktuell, NDR info, WDR 2, WDR 5, rbb-Inforadio, SWR3, 1Live, Bayern 1, NDR 2, WDR 4, Bayern 3, NDR 1 NS/Radio MV/Welle Nord, SWR1 BW/RP, SWR4 BW/RP, N-Joy, hr3, mdr Jump, mdr Sachsen
2 Panel: ARD, ZDF, die dritten Programme, Phoenix, RTL, n-tv, N24, SAT.1
3 IW-Publikationsreihen plus Gutachten; Direktion und Wissenschaftsbereich
4 Direktion und Wissenschaftsbereich

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